Interview mit Sabine Döbeli

Sabine Döbeli, Geschäftsleiterin von Swiss Sustainable Finance, im Gespräch über nachhaltige Anlagen, Immobilienfonds und ESG, entsprechende Benchmarks und (Selbst-) Regulierung.
Interview mit Sabine Döbeli:
CEO Swiss Sustainable Finance

Wer sind Sie?

Ich bin die Geschäftsleiterin von Swiss Sustainable Finance, dem Verband zur Förderung von Nachhaltigkeit im Schweizer Finanzplatz. Als Umweltnaturwissenschafterin bin ich seit über 20 Jahren im Finanzbereich tätig und war dabei in verschiedenen Rollen dafür verantwortlich, Nachhaltigkeit als wichtiges Element von Finanzentscheiden zu verankern. Vor acht Jahren habe ich den Verband gegründet, weil ich es an der Zeit fand, dem Thema im Schweizer Finanzplatz eine stärkere Stimme zu verleihen.

Frau Döbeli, Ihrer „Sustainable Investment Market Study 2021“ kann entnommen werden, dass das Angebot an nachhaltigen Anlagen im Vergleich zum Vorjahr um über 30% zugenommen hat, und zwar massgeblich bedingt durch ESG-Fonds, welche mittlerweile 52% des Schweizer Fonds-Marktes ausmachen. Andererseits stellt man fest, dass der CO2-Ausstoss ansteigt, die Biodiversität abnimmt, der Abfallberg zunimmt und die Kreislaufwirtschaft scheinbar noch in weiter Ferne ist. Wie erklären Sie sich diesen Sachverhalt?

Wir beobachten tatsächlich, dass es zunehmend zum Normalfall wird, Nachhaltigkeit bei Finanzentscheiden einzubeziehen. Eine Bank oder ein Vermögensverwalter kann es sich heute nicht mehr leisten, solche Themen zu ignorieren. Gleichzeitig ist unbestritten, dass wir als Gesellschaft noch nicht am Ziel sind, wie sich beispielsweise am globalen Klima oder dem Rückgang der Biodiversität zeigt. Weshalb ist der Zusammenhang zwischen nachhaltigen Anlagen und Zustand der Umwelt nicht stärker? Einerseits wirken Anlagen nur relativ indirekt auf die gesamtgesellschaftliche Entwicklung. Energiepreise, geltende Bauvorschriften und Kaufentscheide von Konsumenten haben eine viel direktere Wirkung – und diese Signale weisen leider noch zu wenig stark den Weg in eine grüne Zukunft. Andererseits messen immer noch viele Anlegerinnen und Anleger dem Thema nicht die Bedeutung bei, die es verdient. Ich beobachte allerdings einen enormen Sinneswandel: viele grosse institutionelle Anleger nutzen ihren Einfluss immer stärker, um Firmen aller Sektoren auf einen umwelt- und klimafreundlichen Pfad zu bringen.

Wie gross ist nun der Anteil nachhaltiger Immobilienfonds am gesamten ESG-Volumen?

Mit 14% aller nachhaltigen Anlagen in der Schweiz liegen Immobilieninvestments an dritter Stelle nach Aktien und Unternehmensanleihen. Das ist ein wesentlicher Anteil, was hauptsächlich auf zwei Faktoren zurückzuführen ist. Zum einen halten institutionelle Anleger wie Pensionskassen grosse Anteile an Immobilienanlagen in ihren Portfolios. Zum anderen haben viele dieser Anleger in den letzten Jahren eine klare Nachhaltigkeitspolitik für diesen Bereich festgelegt. So werden oft konkrete Ziele gesetzt für die Verminderung des CO2-Ausstosses des bestehenden Gebäudeparks. Oder beim Neubau achtet man auf breite Nachhaltigkeitskriterien, also beispielsweise auf soziale Durchmischung oder flexible Nutzbarkeit der Gebäude.

Ein offensichtlicher Mangel an den sogenannten ESG-Produkten ist bekanntlich, dass es sich hierbei nicht um einen geschützten Begriff handelt. Würde man griffige Kriterien definieren, sollte dann das Volumen an ESG-Produkten nicht signifikant tiefer ausfallen?

Es existieren tatsächlich unterschiedliche Definitionen von Nachhaltigkeit und verschiedene Ziele, die mit solchen Anlagen verfolgt werden. Es liegt auf der Hand, dass eine Pensionskasse, die Nachhaltigkeit breit in ihre Anlagen integriert, dies nicht gleich strikt umsetzen kann wie ein Privatinvestor, der höhere Risiken in Kauf nehmen kann und in Einklang mit seinem individuellen Werteverständnis investieren kann. Was aber oft vergessen wird ist der Umstand, dass nicht unbedingt das grünste Portfolio die grösste Wirkung erzielt. Wer in weniger grüne Firmen investiert, diese aber davon überzeugt, ihre Nachhaltigkeitsstrategie zu verbessern, verändert mehr, als jemand, der auf bereits bestehende Windturbinen setzt.

Im Bereich der Immobilien ist man einen Schritt weiter, denn es liegen Standards/Benchmarks (GRESB/SSREI) vor, welche Transparenz und Vergleichbarkeit im Markt schaffen und die dem Anleger als Orientierungshilfe dienen. Sind diese ausreichend?

Im Immobilienbereich gibt es in der Tat schon seit vielen Jahren Benchmarks und Labels, die einen Vergleich auf der Basis von konkreten Nachhaltigkeitsdaten erleichtern. Ich beobachte, dass sich viele dieser Standards noch sehr stark auf Energie und Klimathemen fokussieren und andere Nachhaltigkeitsaspekte kaum berücksichtigen – der SSREI bildet hier eine Ausnahme. Eine grosse Herausforderung bleibt es, Nachhaltigkeitsdaten für ganze Immobilienportfolios effizient zu erheben und zu aggregieren. Auch ist es für Investoren nicht einfach, für alle Märkte vergleichbare Informationen zu erhalten. Wir sehen aber in beiden Bereichen wichtige Fortschritte.

Wie schätzen Sie im Weiteren die gesetzgeberische respektive regulatorische Ebene ein? Was können die Akteure im Allgemeinen erwarten?

Bezüglich nachhaltiger Finanzen setzt die Schweizer Regierung auf einen freiwilligen Pfad nach dem Muster der Selbstregulierung. Der Bundesrat hat aber klargemacht, dass er von der Finanzbranche ganz konkrete Aktivitäten erwartet. Die Branchenverbände arbeiten hier an verschiedenen Lösungsansätzen. Der Bund wünscht zudem mehr Transparenz zur Klimaverträglichkeit von Anlagen – auch da können wir bald mehr erwarten. Im Gebäudebereich ist aber der Hebel der kantonalen Gesetzgebung stärker als der Einfluss von Finanzinvestoren. Was wir brauchen ist eine verbindliche Transparenz zur Energieeffizienz von Gebäuden (z.B. über den Gebäudeausweis der Kantone). Dann können Investoren und Kreditgeber diese Information auch einbeziehen. Hier sehe ich noch Nachholbedarf.

Herzlichen Dank Frau Döbeli, für Ihre Zeit und das interessante Gespräch.

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