Ingo Bofinger, Leiter der Fachgruppe Immobilien der KGAST zum Thema Immobilien im Spannungsfeld von Nachhaltigkeit und Regulierung
Ingo Bofinger hat Immobilienökonomie an der European Business School in Oestrich-Winkel, Deutschland studiert und ist Fellow der Royal Institution of Chartered Surveyors (FRICS). Er hat internationale Fonds- und Investitionserfahrung bei namhaften Banken und Versicherungen sammeln dürfen und leitet seit 2017 den Geschäftsbereich Immobilien bei der Avadis Vorsorge AG mit einem AuM von rd. CHF 7.0 Mia. Seit Juni 2021 leitet er die Fachgruppe Immobilien bei KGAST.
Interview mit Ingo Bofinger:
KGAST – Konferenz der Geschäftsführer von Anlagestiftungen
Wer sind Sie?
Ich verstehe mich als Eigentümervertreter, der seit über 30 Jahren treuhänderisch Immobilienvermögen für private und Institutionelle Anleger betreut, analysiert und entwickelt. Nach Stationen in Deutschland und Luxemburg leite ich seit 2017 den Geschäftsbereich Immobilien bei der Avadis Vorsorge AG, der nationale wie internationale Immobilieninvestments für Schweizer Pensionskassen anbietet.
Die FINMA hat am 31. Mai 2021 die Transparenzvorschriften zu den Klimarisiken publiziert, AMAS (Asset Management Association Switzerland) hat diese mit dem Zirkular – 0422 mit konkreten Kennzahlen operationalisiert und KGAST (Konferenz der Geschäftsführer von Anlagestiftungen) hat diese übernommen. Welche Verbindlichkeit haben diese Richtlinien?
Diese Regeln wurden in enger Zusammenarbeit zwischen den beiden Verbänden erarbeitet. Vereinheitlichte Regelungen helfen unseren Mitgliedern und Investoren, um Vergleiche überhaupt zu ermöglichen. Darüber hinaus werden Ineffizienzen reduziert. Grundsätzlich agiert KGAST, im Vergleich zu AMAS, welche diese mit einer Übergangsfrist als verbindlich erklärt hat, auf dem Grundsatz der Selbstregulierung. Wir belassen es bei einer Empfehlung. Das hängt mit der diversen Zusammensetzung unserer Mitglieder in Bezug auf deren Grösse zusammen, sowie unserem Grundsatz, Regeln so zu handhaben, dass alle daran teilhaben können.
Die EU geht mit ihren Offenlegungspflichten viel weiter und umfasst nebst der Klimathematik auch die Themen Wasser, Umweltverschmutzung, Kreislaufwirtschaft, Biodiversität und Landnutzung. Hinkt die Schweiz der EU hintennach?
Der Bundesrat hat die Verordnung zur verbindlichen Klimaberichterstattung verabschiedet, welche per 1. Januar 2024 in Kraft gesetzt wird. Zudem hat der Bundesrat die «Swiss Climate Scores» lanciert, nämlich ein Ratingsystem betreffend Klimaverträglichkeit von Finanzanlagen aller Art. Wie die Namen aussagen, beschränkt sich der Fokus von Bundesbern auf das Thema Klima. Dort steht es wegen der Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens auch primär in der Pflicht. Aber es ist die klare Absicht des Bundesrates, den Schweizer Finanzplatz international als nachhaltigen Finanzplatz zu etablieren.
Die Schweizer Standards fürs Bauen (SNBS Hochbau) und für den Bestand (SSREI oder ausländische Labels) gehen ebenfalls weit über die aktuellen Schweizer Richtlinien hinaus. Ist die Wirtschaft der Gesetzgebung voraus?
Es ist üblich, dass die Standards die Wegbereiter sind und deren Anforderungen dann allenfalls mit Gesetzen verbindlichen Charakter bekommen. So war es auch mit Minergie, deren Grundsätze in die Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn) eingeflossen sind. Die MuKEn wiederum bildeten dann die Basis für die kantonalen Energiegesetze.
Wie relevant sind die EU-Offenlegungspflichten für indirekte Immobilienanlagen in der Schweiz?
Formal sind sie relevant für jene Fonds mit EU-Niederlassung respektive solche, welche in der EU gelistet sind. Investoren fällen aber ihre Anlagenentscheide nach einheitlichen Regeln, weshalb Schweizer Anlageprodukte mit Investoren aus dem EU-Raum nachziehen müssen. Ansonsten besteht das Risiko, dass die Gelder ausserhalb der Schweiz alloziert werden. Per Definition dürfen Anlagestiftungen nur Gelder von steuerbefreiten Schweizer Pensionskassen oder Vorsorgewerken annehmen und sind somit dem Risiko, EU-Regeln anwenden zu müssen, sofern sie im Heimatmarkt investieren, aktuell nicht ausgesetzt. Investiert eine Anlagestiftung jedoch im Ausland, dann tut sie gut daran, die europäischen Kriterien zu beachten, um die Attraktivität ihrer Gebäude für den Kapitalmarkt zu erhalten. Mehr tun, schadet somit nicht, obliegt jedoch jedem Mitglied selbst. Und die Instrumente hierfür stehen ja – wie Sie oben erwähnen – zur Verfügung.
Wie schätzen Sie die nachhaltige Qualität der Immobilien Ihrer Mitglieder ein?
Eine Umfrage zum Thema ESG, welche wir vor rund einem Jahr durchgeführt haben, hat ein überraschend positives Bild ergeben. Mehr als die Hälfte unserer Mitglieder verfügten bereits damals über eine Nachhaltigkeitsstrategie, über umweltrelevante Kennzahlen und sogar über einen Nachhaltigkeitsbericht. Das Thema wird also in unserer Community sehr ernst genommen. Und das hat mit den CHF 80 Mrd. Anlagevolumen doch Gewicht.
Was unternimmt der Verband, um seine Mitglieder in der nachhaltigen Entwicklung ihrer Immobilienportfolios zu unterstützen?
Wir verstehen uns als Informations- und Austauschplattform für unsere Mitglieder und setzen dies mit Treffen der Fachgruppe und einer regelmässigen Kommunikation zu aktuellen Themen um. Dies fördert den Austausch von Markt-Know-how und aktuellen Trends. So unterstützen wir bei der Erarbeitung von Empfehlungen oder Richtlinien für den KGAST-Verband. Ebenso pflegt KGAST den Schulterschluss und Austausch zu anderen Verbänden und bietet hier einen wichtigen Mehrwert für ihre Mitglieder.
Herzlichen Dank, Herr Bofinger, für Ihre Zeit und das interessante Gespräch.