Interview mit Klaus Kämpf

Klaus Kämpf, Geschäftsführer der Sustainable Real Estate AG und mit dem Immobilienfonds Sustainable Real Estate Switzerland Mitglied im SSREI, im Gespräch zu ESG und Transparenz.

Klaus Kämpf ist Mitgründer und Geschäftsführer der Sustainable Real Estate AG, die sich als Fondsanbieter und Beratungsgesellschaft auf nachhaltige Immobilien spezialisiert hat. Er hat Physik studiert und war zunächst als Berater in den Bereichen Verkehr und Umwelt tätig. 2002 wechselte er zum Nachhaltigkeitsresearch einer Bank. Seit 2009 befasst er sich mit Nachhaltigkeitsfragen im Immobilienbereich.

Interview mit Klaus Kämpf:
Sustainable Real Estate AG

Wer sind Sie?

Ich habe als Kind die Ölpreiskrisen erlebt und bin sonntags auf der Autobahn Velo gefahren. Seither haben mich Energiefragen und der bedachte Umgang mit dieser Ressource nicht mehr losgelassen. Im Laufe der Zeit erweiterte sich der Horizont um zusätzliche Themen, die wir heute unter der Überschrift Nachhaltigkeit zusammenfassen. So habe ich mich in meinem gesamten Berufsleben mit entsprechenden Themen befasst.

Nachhaltige Finanzprodukte boomen. Die EU ist daran, mit der Taxonomie-Verordnung die Begrifflichkeiten im Zusammenhang mit ESG zu definieren. Zudem ist sie bestrebt, mit den Vorschriften zur Offenlegung, Transparenz zu schaffen. Die Schweiz kennt keine diesbezügliche Verordnung und die neuen Transparenzvorschriften der AMAS haben nur einen Bruchteil des Umfanges von jenen in der Europäischen Union. Wer macht hier was falsch?

Der Anspruch der EU ist es, mit der Taxonomie Nachhaltigkeitskriterien für alle wichtigen Wirtschaftstätigkeiten – einschliesslich Bau und Betrieb von Gebäuden – festzulegen und so indirekt nachhaltige Investitionen zu definieren. Schon allein wegen dieses allumfassenden Anspruchs ist das Regelwerk komplex. Hinzu kommt die Vielfalt innerhalb der Europäischen Union. Nachhaltigkeit ist eben auch ein kulturelles Phänomen. Die Mitgliedsstaaten starten nicht auf der gleichen Linie und haben teilweise nicht dasselbe Verständnis von Nachhaltigkeit. Das ist gut so, macht eine Taxonomie aber nicht gerade leichter zu formulieren. Dies wurde beispielsweise an der Diskussion, ob Kernenergie zum EU-Umweltziel Klimaschutz beiträgt, gut ersichtlich. Die Schweiz geht zurückhaltender und pragmatischer an die Sache heran und muss nicht so viele unterschiedliche Interessen unter einen Hut bringen.

Wo steht die EU mit der Umsetzung dieser beiden Vorschriften? Wie wird der Vollzug sichergestellt?

Die Umsetzung ist das grosse Problem, mit dem nicht nur die Anbieter von Finanzprodukten zu kämpfen haben, sondern auch die Regulatoren und die Revisionsgesellschaften, welche das ESG-Reporting künftig prüfen sollen. Grund sind die teilweise noch fehlenden, auslegungsbedürftigen oder unzulänglichen Umsetzungsbestimmungen. Es dürfte noch einige Zeit dauern, bis sich dies bei den Umweltthemen eingespielt hat. Und dann bleibt zu hoffen, dass es bei den sozialen und Governance-Themen, deren Taxonomie in den nächsten Jahren folgen soll, besser läuft.

Bei den Finanzprodukten im Bereich Immobilien gibt es international anerkannte Standards: GRESB (Managementsystem), ECORE und SSREI (Portfolio-Evaluation). Inwiefern helfen diese Instrumente, um gemäss den oben genannten Vorschriften zu rapportieren?

Solche freiwilligen Standards helfen beim obligatorischen Reporting, auch wenn die Kennzahlen nicht genau die gleichen sind. Es geht ja in beiden Fällen letztlich um die Schaffung der organisatorischen Strukturen, die es braucht, um Nachhaltigkeitskennzahlen zu erheben. Und die Kennzahlen sind wiederum erforderlich für ein sinnvolles Nachhaltigkeitsmanagement. Insofern gibt es Synergien zwischen freiwilligen Instrumenten und vorgeschriebener Offenlegung.

Die von der AMAS definierten Kennzahlen beziehen sich lediglich auf die Aspekte Betriebsenergie und CO2. Ist das nicht eine zu enge Sicht oder sogar ein Risiko, weil man dann schnell zu Ersatzneubau und damit Vernichtung von grauer Energie tendiert?

Die AMAS setzt mit dem Fokus auf Betriebsenergie und CO2 Prioritäten. Diese Kennzahlen sind relevant und vergleichsweise gut verfügbar. Auch die graue Energie und die damit verbundenen CO2-Emissionen sind wichtig. Diese können bei einem Neubau dem Energieverbrauch über hundert Jahre Gebäudebetrieb entsprechen. Doch die graue Energie kann man eben nicht einfach auf einem Zähler ablesen oder einer Rechnung entnehmen. Sie zu ermitteln erfordert anerkannte Standards, Inputdaten und Werkzeuge, die heute noch fehlen. Die Entwicklung wird aber weitergehen, und eines Tages wird nicht nur die graue Energie eine gängige Kennzahl sein. Die EU arbeitet auch bereits an Kennzahlen im Bereich Soziales.

Transparenzvorschriften dienen auch der Vermeidung von Greenwashing bei Finanzanlagen. Reicht Transparenz aus, um Greenwashing zu vermeiden?

Transparenz ist ein wichtiger Faktor, genügt aber nicht. Um einen Fonds tatsächlich nachhaltig zu managen, braucht der Anbieter entsprechendes Fachwissen, organisatorische Strukturen und natürlich auch Daten und Werkzeuge. Dies hat die FINMA erkannt und 2021 entsprechende Anforderungen zur Vermeidung von Greenwashing bei Finanzprodukten, die mit einem Nachhaltigkeitsanspruch antreten, festgelegt. In diese Richtung geht auch die Selbstregulierungsrichtlinie der Asset Management Association Switzerland zu nachhaltigen Fonds, die im September veröffentlicht wurde.

Herzlichen Dank, Herr Kämpf, für Ihre Zeit und das interessante Gespräch.

 

Weiterführende Informationen:

FINMA veröffentlicht Aufsichtsmitteilung zur Prävention und Bekämpfung von Greenwashing

AMAS führt im Bereich Sustainable Finance eine Selbstregulierung für Asset Manager und Ersteller von kollektiven Kapitalanlagen ein

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