Immobilien verursachen aufgrund ihrer Materialintensität viel graue Energie. ReUse ist ein Mittel, um diese zu reduzieren und findet in verschiedenen Projekten bereits Anwendung. Ein Beitrag von Dr. Andreas Oefner von der Zirkular GmbH.
Die Wiederverwendung von Bauteilen hat in den letzten Jahren sowohl medial als auch in umgesetzten Projekten breites Interesse erfahren und dabei in allen Phasen von Bauprojekten Einzug gehalten. Zirkular hat dabei gemeinsam mit der ZHAW die grundlegenden Abläufe und Arbeitspakete in den SIA-Phasen definiert und die wichtigsten Grundlagendokumente – vom Fachplanungsvertrag, Übergabevereinbarungen, Wiedereinbauklauseln bis zu Factsheets zu Bewilligungspraxis und Gewährleistung und Haftung – erarbeitet und online zur Verfügung gestellt.
Nicht zuletzt deshalb ist der Einsatz von wiederverwendeten Bauteilen sehr viel breiter geworden. Architekturwettbewerbe wurden durch Anforderungen in Bezug auf die Kreislaufwirtschaft ergänzt und Bauteilkataloge für die Wettbewerbe aus dem Portfolio der Auftraggeber:innen erstellt. Geplante Rückbauten wurden als Quellobjekte durch Gebäudescreenings analysiert und die potenziellen Bauteile in externe Projekte vermittelt. In den Zielprojekten – seien es Neubauten oder Umbauten – wurde in den ersten Projektphasen definiert, welche Kreislaufmassnahmen umgesetzt werden sollen und anschliessend die über die Suchprofile definierten Bauteile ermittelt, erworben, rückgebaut, eingelagert und wieder eingebaut. Auch in den Labels und als Anspruch im Sinne einer Kreislaufcharta ist das Thema mittlerweile vertreten. Dabei werden in den Projekten mittlerweile je nach Zielsetzung sehr unterschiedliche Bauteile wiederverwendet: Von komplex (bspw. Tragstruktur in Stahl und Betonteile), über mittel (bspw. Fenster), bis einfach (bspw. Heizkörper und Fassadenmaterialien).
Die Emissionseinsparpotentiale sind dabei erheblich. Auf Bauteilebene liegen die Einsparungen gegenüber neu produzierten Bauteilen in der Regel bei rund 90%. Das heisst, die anfallenden Emissionen von ReUse-Bauteilen bei Ausbau, der Aufbereitung und den Transporten der Bauteile machen lediglich rund 10% derjenigen Emissionen aus, die für ein neuerstelltes Bauteil anfallen würden. Auf Projektebene wurden in bereits umgesetzten Projekten je nach Fokus und Umfang bei den Erstellungsemissionen zwischen 10-50% eingespart.
Neben den erzielten Fortschritten müssen aber gemeinsam noch diverse Herausforderung gelöst werden. Zum einen gilt es die Prozesse der Wiederverwendung stärker in den Projekten zu verankern. Daneben müssen die Einschätzungen bei den Bauteilkategorien weiterentwickelt werden. So beispielsweise die Frage, welche Abklärungen und Sondagen getroffen werden müssen, um darüber entscheiden zu können, ob konkrete Stahlträger wiederverwendet werden können oder nicht. Welches Alter der Träger in Kombination mit einer damit verbundenen Sanierung der Beschichtung würde ökonomisch eine Wiederverwendung verunmöglichen? Gleiches kann in Bezug auf die Wiederverwendung von Fenstern gefragt werden. Welche Aufbereitungsmöglichkeiten bestehen, um zum Beispiel aus einem rückgebauten Fenstern ein Neues herzustellen, indem die Gläser wiederverwendet werden?
Daneben gilt es auch die Rahmenbedingungen der Bauwirtschaft grundsätzlich neu zu sortieren. Die Wiederverwendung von Bauteilen ist eine Strategie die exorbitanten Emissionen der Bauwirtschaft zu reduzieren. Sie ist aber nur wirkungsvoll, wenn sie in eine breite Front anderer Strategien eingereiht wird: Sie ergänzt die grundsätzliche Strategie den Bestand weiterzunutzen und umzubauen, anstatt neu zu bauen. Weiter muss sie mit neu produzierten, emissionsarmen Bauteilen oder biogenen Materialien kombiniert werden, die gleichzeitig so verbaut werden, dass sie künftig einfach reparierbar, rückbaubar und wiederverwendbar sind. Gute Planer:innen zeichnen sich dadurch aus, dass sie für ihr konkretes Projekt die richtigen Strategien auswählen, die zur Verfügung stehen und dabei ihre Verantwortung gegenüber dem Projekt, aber auch der Gesellschaft wahrnehmen.
Der Autor: Dr. Andreas Oefner ist Geschäftsführer der Zirkular GmbH, einem Fachplanungsbüro für Bauen im Kreislauf. Er absolvierte eine Lehre als Hochbauzeichner und arbeitete seit 2006 mit Unterbrüchen im baubüro in situ. Parallel dazu studierte er Geschichte in Basel und Bern und promovierte im Herbst 2020.