Silvia Ruprecht, Projektleiterin in der Sektion Klimapolitik beim Bundesamt für Umwelt BAFU, und in dieser Funktion unter anderem zuständig für die PACTA Klimatests für den Schweizer Finanzmarkt, im Gespräch mit SSREI.
Interview mit Silvia Ruprecht
Projektleiterin, Sektion Klimapolitik, Bundesamt für Umwelt BAFU
Wer sind Sie?
Ich bin Ökonomin und arbeite in der Sektion Klimapolitik im Bundesamt für Umwelt BAFU. Die Sektion Klimapolitik entwickelt klimapolitische Strategien und Massnahmen zuhanden des Bundesrats und Parlaments. Insbesondere leite ich die regelmässige Fortschrittsmessung zur Ausrichtung des Schweizer Finanzmarkts an den Klimazielen sowie Forschungs- und politische Arbeiten, um einen aktiven Beitrag der Marktakteure zu den Klimazielen zu unterstützen. Zusätzlich betreue ich den Technologiefonds, der Bürgschaften für innovative, klimafreundliche Technologien vergibt und vertrete die Schweiz als Co-Vorsitzende in der Arbeitsgruppe zu Klima und Investitionen der OECD.
Wofür steht der Begriff PACTA und was wird mit PACTA bezweckt?
Das Bundesamt für Umwelt BAFU führt zusammen mit dem Staatssekretariat für internationale Finanzfragen SIF alle zwei Jahre den Klimatest nach der international anerkannten PACTA-Methode durch. PACTA steht für Paris Agreement Capital Transition Assessment. Ziel dabei ist es festzustellen, welche Fortschritte der Schweizer Finanzmarkt bei der Erreichung der Klimaschutz-Ziele macht. Der Test ermöglicht eine standardisierte, quantitative Analyse einerseits für globale Aktien, Unternehmensanleihen und andererseits für Schweizer Immobilien- und Hypothekenportfolien. Eine qualitative Umfrage zu Klimastrategien und -massnahmen ergänzt den Test und ermöglicht ein umfassendes Bild. Der Klimatest unterstützt zudem die Finanzbranche dabei, sich auf das verbindliche Netto-Null-Ziel 2050 auszurichten.
Wer konnte am Klimatest 2024 teilnehmen und sind Sie zufrieden mit der Beteiligung?
Alle Schweizer Banken, Vermögensverwaltenden, Pensionskassen und Versicherungen waren eingeladen, ihre Portfolien testen zu lassen. Mit der Teilnahme von 146 Finanzinstituten ist dieser vierte Klimatest einer der grössten koordinierten und vergleichbaren Klimatests für Finanzmärkte weltweit! Wir sind über die breite freiwillige Teilnahme erfreut, sie lässt aussagekräftige Ergebnisse für den gesamten Schweizer Finanzmarkt zu.
Wo steht der Schweizer Finanzmarkt mit der Zielerreichung insgesamt?
Die Resultate des PACTA Klimatests 2024 zeigen: Eine Mehrheit der Teilnehmenden integriert bereits das Netto-Null Ziel in der internen Unternehmensstrategie. Im Klimatest 2022 waren dies noch weniger als ein Drittel. Netto-Null heisst gemäss Klima- und Innovationsgesetz KlG: bis spätestens im Jahr 2050 sollen unter dem Strich keine Treibhausgasemissionen mehr ausgestossen werden. Viele Finanzinstitute ergreifen zudem bereits Klimamassnahmen: Sie versuchen Unternehmen, von denen sie Aktienanteile halten, zu klimaverträglicherem Wirtschaften zu bewegen, beheizen immer mehr Immobilien, die sie in Immobilienportfolien halten erneuerbar oder unterstützen Hypothekenkundinnen und -kunden bei Sanierungen. Der nächste Schritt für die Mehrheit der Finanzinstitute muss nun sein, dieses breite Bekenntnis mit glaubwürdigen Netto-Null-Transitionsplänen für alle Geschäftstätigkeiten zu unterlegen und noch stärke umzusetzen. Zudem soll der Anteil der Finanzinstitute mit Netto-Null-Zielen und -strategien weiter stark steigen.
SSREI interessiert insbesondere die Analyse zu den Immobilien. Welche Ergebnisse zeigt der Klimatest in dieser Anlageklasse?
Die Resultate zeigen Fortschritte im Vergleich zum Klimatest 2022. Alle Finanzbranchen sind heute mit ihren direkt gehaltenen Immobilienportfolien im Durchschnitt auf Zielkurs mit Blick auf 2030, ausser Vermögensverwaltende. Jedoch sind die Unterschiede zwischen den verschiedenen Teilnehmenden gross. Der grösste Hebel zur Reduktion der direkten Emissionen – der sogenannten «Scope 1 Emissionen» – liegt im Heizungsersatz von fossil auf erneuerbar. Die Ersatzrate ist seit 2022 gestiegen. Heute werden 15% der getesteten Immobilien erneuerbar beheizt, 29% mit Fernwärme. Fernwärme ist jedoch im Schweizer Durchschnitt noch zur Hälfte fossil. Für 31% der direkt gehaltenen Immobilien ist bis 2025 zudem ein Heizungsersatz geplant. Das heisst aber auch, dass für rund ein Viertel der Gebäude noch kein Ersatz der fossilen Heizung geplant ist. Mit Blick auf das Netto-Null-Ziel 2050 sind die Heizungsersatz- und auch die Sanierungspläne noch ungenügend.
Zudem hat der Klimatest 2024 indirekte Emissionen bei Immobilien einbezogen. Was sind die Ergebnisse dazu?
Wir haben dieses Jahr erstmals ein Zusatzmodul angeboten, das die Emissionen aus der Strom- und Fernwärmeproduktion abschätzt, sogenannte «Scope 2 Emissionen». Im Schnitt sind die Scope 2 Emissionen rund halb so gross wie die direkten «Scope 1 Emissionen» aus Heizwärme und Warmwasser. Dabei stammen rund 80% der «Scope 2 Emissionen» aus der Elektrizitäts- und 20% aus der Fernwärmeproduktion. Insbesondere mit hauseigenen Photovoltaikanlagen können diese Emissionen vermindert werden. Erst rund 4% der zum Test eingereichten Gebäude verfügen über PV-Anlagen. Das Ziel des Bundes ist, die Stromkapazität aus PV in den nächsten 10 Jahren rund zu verfünffachen. Hier sehen wir ein grosses Potenzial für Immobilienbesitzende und Fondsanbietende.
In der Schweiz gibt es verschiedene Ansätze und Standards für nachhaltige Immobilien. Wie ordnet sich PACTA ein?
Der CO2-Rechner, den wir für PACTA entwickeln liessen und im Klimatest anwenden ist selbst kein Standard. Er basiert auf den gängigen SIA Normen und Durchschnittwerten, beispielsweise zum Wärmeverbrauch eines Gebäudes. Das Modell kann aber unlizenziert beim BAFU bezogen werden. Auch zeigt eine Karte auf Basis des PACTA-Rechners die CO2-Schätzung für jedes Gebäude der Schweiz. Er ermöglicht so verschiedene Immobilienportfolien zu vergleichen. Auch kann die Klimaverträglichkeit für Hypothekenportfolien abgeschätzt werden. Dabei können wir auf Daten des eidgenössischen Gebäude- und Wohnungsregisters zugreifen, weil die Banken selbst häufig nicht über Klimadaten bei Hypotheken verfügen. Unser Ziel ist, dass in den gängigen Schweizer Modellen und Standards dieselben Grundannahmen wie im PACTA-Rechner hinterlegt sind. Insbesondere sollten die Emissionsfaktoren gemäss Schweizer Treibhausgas und KBOB verwendet werden und als Referenz gilt der Gebäudeabsenkpfad gemäss Klima- und Innovationsgesetz. Auch die wesentlichen Kennzahlen, welche die Verbände für Immobilienportfolien von Pensionskassen (ASIP), -fonds von Vermögensverwaltern (AMAS), und -anlagegruppen (KGAST) empfehlen, sollten unseres Erachtens konsolidiert und flächendeckend angewandt werden. Der Klimatest 2024 zeigt, dass dies noch nicht überall der Fall ist. Darüber hinaus sind verschiedene Standards für verschiedene Anwendungen aber durchaus sinnvoll.
PACTA fokussiert auf Klimadaten. Das ist ein wichtiges Thema im Immobilienbereich, Im Jahr 2022 stammten 23% der Schweizer CO2-Emissionen aus dem Gebäudepark. Egal, welche Grundlagen man jedoch beizieht – sei es die SIA 112/1 «Nachhaltige Gebäude – Hochbau», NUWEL, der Leitfaden «Nachhaltigkeit und Wertermittlung von Immobilien, und insbesondere die EU-Gesetzgebung – so ist festzustellen, dass nachhaltige Gebäude umfassender zu betrachten sind. Wird PACTA den Fächer öffnen und zum offiziellen Datenpool für nachhaltige Immobilien?
2024 haben wir erstmals auch ein Modul angeboten, das eine erste Einschätzung der Emissionen liefert, die bei der Bereitstellung der Baumaterialien entstehen. Dabei geht es um sogenannten «Scope 3» oder «graue Emissionen aus Baumaterialien». Der Test entwickelt sich also laufend weiter. Ob, wann und welche weiteren Aspekte wir für die Testrunde 2026 einbeziehen, werden wir im Laufe des nächsten Jahres prüfen.
Der Klimatest 2024 ist in dem Fall eine umfassende und detailreiche Analyse. Wo können Interessierte mehr Informationen finden?
Mehr Informationen finden Sie auf der Webseite www.bafu.admin.ch/klima-finanzmarkt und der dazugehörenden Unterseite www.bafu.admin.ch/pacta-klimatest.