Hansruedi Scherer, Gründer und Partner der PPCmetrics im Gespräch mit SSREI zum Thema Nachhaltigkeit bei Pensionskassen.
Hansruedi Scherer hat an der Universität Bern Volks- und Betriebswirtschaft studiert und mit dem Thema Anlagestrategien für Schweizer Pensionskassen doktoriert. 1995 gründete er zusammen mit Partnern die Metrics AG, die sich 1998 mit der PPC AG zur PPCmetrics AG zusammengeschlossen hat. Die PPCmetrics AG ist heute die führende unabhängige Investmentconsulting Firma der Schweiz. Heute ist Hansruedi Scherer Verwaltungsratspräsident der PPCmetrics und Lehrbeauftragter an der Universität Bern.
Interview mit Hansruedi Scherer:
PPCmetrics AG
Wer sind Sie?
Der Erfolg resp. die Effizienz der Vermögensanlagen der Pensionskassen ist entscheidend für die Alterssicherung in der Schweiz. Mein Anliegen war und ist es, diese Effizienz zu steigern und damit einen Beitrag zu einem würdigen Leben nach der Pensionierung zu leisten. Als wir gestartet haben, erfolgte die Beratung fast ausschliesslich durch die Vermögensverwalter, welche verständlicherweise Interessenskonflikte hatten und auch an tiefen Vermögensverwaltungskosten kein Interesse hatten.
Welche Rolle hat PPCmetrics bei den Pensionskassen?
Wir helfen den Pensionskassen bei der Festlegung ihrer Anlagestrategie, bei der Schaffung einer Anlageorganisation, welche Best-Practice-Standard aufweist, bei der Auswahl der Vermögensverwalter und beim Investment Controlling. Wir haben neben einer exzellenten Marktübersicht auch sehr gute Kenntnisse der regulatorischen Vorgaben sowie Empfehlungen der relevanten Verbände und lassen dieses Wissen in unsere Beratung einfliessen.
Welche Bedeutung misst PPCmetrics dabei dem Thema Nachhaltigkeit zu?
Die ganze zweite Säule ist ein Produkt der Nachhaltigkeit. Es geht darum, über extrem lange Zeitspannen Leistungen zu erbringen. Entsprechend kann es auch keine Anlagetätigkeit in der zweiten Säule ohne Berücksichtigung von Nachhaltigkeit-Aspekten geben. Sehr viele Pensionskassen haben sich schon intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt und entsprechende Massnahmen ergriffen. Es darf aber nicht vergessen werden, dass es um die Spargelder der Versicherten geht und entsprechend nicht jeder Stiftungsrat zu den gleichen Schlussfolgerungen kommt. Der Pensionskassenverband ASIP hat dieses Jahr eine Empfehlung bezüglich Nachhaltigkeits-Berichterstattung veröffentlicht. Wir gehen davon aus, dass viele Pensionskassen dieser Empfehlung folgen werden. Der Finanzmarkt hat aber bereits vor 10-15 Jahren die Nachhaltigkeit als Risiko erkannt, was in der Folge dazu führte, dass dieses Thema fest im Risikomanagement verankert ist.
Trotzdem zeigen Studien, dass Pensionskassen weniger weit entwickelt sind als andere Akteure im Finanzmarkt.
Das ist eine heikle Aussage – das setzt voraus, dass es eine allgemein gültige Definition gibt, was nachhaltig ist und was nicht. Wir sprechen hier auch von unterschiedlichen Wertmassstäben. Die meisten Leute trinken in unserer Gesellschaft Alkohol, aber wir wissen alle, dass zu viel Alkohol definitiv sehr schädlich ist. Ist es nun nachhaltig, wenn eine Pensionskasse keine Aktien von Alkoholproduzenten im Portfolio hat? Oder besser die Pensionskasse setzt sich als Aktionär für einen besseren Jugendschutz ein? Ich bin daher sehr zurückhaltend mit der Verwendung von Begriffen wie „weiterentwickelt“. Sicher ist es so, dass sich grosse Pensionskassen, insbesondere von öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern und Sammelstiftungen oft früher mit der Thematik auseinandergesetzt haben als kleinere Pensionskassen. Letztere stehen weniger im Fokus der Öffentlichkeit und überlegen sich daher gut, wie viele Ressourcen sie beispielsweise in eine Nachhaltigkeitsberichterstattung investieren wollen. Eine gute Berichterstattung erfordert saubere Daten. Die Datenlage ist oft noch ungenügend, und diese aufzuarbeiten, ist aufwendig.
Aber ohne saubere Bestandsanalyse, wozu auch die periodische Erhebung der einschlägigen Daten gehört, besteht das Risiko von strategischen Fehlentscheiden. Kann man sie wirklich weglassen?
Bei den Finanzanlagen unternehmen die Vermögensverwalter grosse Anstrengungen, in Zukunft die erforderlichen Daten zur Verfügung stellen zu können. Heikler ist es bei eigenen Immobilien. Da liegt es definitiv in der Verantwortung der Pensionskasse, die notwendigen Datengrundlagen zu schaffen. Wenn diese Angaben zu Nachhaltigkeitsaspekten nicht existieren, ist es nicht von der Hand zu weisen, dass es zu Fehlentscheiden kommen kann. Der Markt wird sich diesbezüglich noch professionalisieren müssen. Doch wird – um beim Beispiel Immobilien zu bleiben – parallel das Grundverständnis von nachhaltigen Immobilien nicht geschärft, so lenken auch die besten Daten in die falsche Richtung.
Zum Beispiel?
Anstelle von Sanierungen werden teilweise Umschichtungen im Immobilienportfolio vorgenommen (Verkauf von Häusern mit Ölheizung), womit überhaupt kein Problem gelöst, sondern es nur an den nächsten Marktteilnehmer weitergegeben wird. Aus Sicht des Immobilieneigentümers lohnen sich viele kurzfristige betriebliche Optimierungen nicht, weil die dazu notwendigen Investitionen nicht auf die Mietpreise überwälzt werden können. Sie verringern lediglich die Nebenkosten, welche ohnehin von der Mieterschaft getragen werden. Nebenkosten beeinflussen den Entscheid, Raum zu mieten, bestenfalls in Lagen resp. Marktphasen mit hohen Leerständen.
Andererseits werden Öl- und Gasheizungen vorzeitig ersetzt, was ja wirtschaftlich kaum zu rechtfertigen ist.
Nicht nur wirtschaftlich, sondern auch ökologisch nicht. Das ist Vernichtung von grauer Energie.
Liegt das Grundproblem nicht darin, dass diese Reporting-Anforderungen oder -Empfehlungen sich ausschliesslich auf Energie- und CO2-Daten beziehen?
Genau, und im schlimmsten Fall führt dies sogar zu vorzeitigen Ersatzneubauten, was sich häufig gesamtenergetisch nicht rechtfertigen lässt.
Standards können helfen, das nötige Bewusstsein zu schärfen und eine Gesamtsicht zu entwickeln – diesen Anspruch erheben wir mit dem SSREI. Welche Rolle spielen Standards in Ihrer Beratungstätigkeit?
Es ist grundsätzlich festzuhalten, dass unser Fokus strategisch ist und bei direkten Immobilienanlagen daher die Bewirtschaftung nicht einschliesst. Die Liegenschaften stehen üblicherweise unter Kontrolle der Immobilienausschüsse und der Portfoliomanager. Wir haben wenig Einfluss auf die Instrumente, die sie beiziehen. Aber natürlich beobachten wir den Markt und weisen unsere Kunden auf die Standards hin.
Was bewegt Sie dazu, den SSREI zu empfehlen?
Die oben angesprochene inhaltliche Ausgewogenheit ist bestimmt eine Stärke des SSREI. Vor allem die raumplanerische Komponente, die mir beim SSREI ausgeprägter erscheint als bei anderen Gebäudestandards, halte ich für sehr wichtig. Wollen wir den energetischen Umbau des Schweizer Gebäudeparks schaffen, so müssen wir die Gebäude als Teil der Siedlungsentwicklung sehen. Die Beschränkung auf die isolierte betriebsenergetische Optimierung ist ungenügend – und kann, wie wir soeben diskutiert haben, geradezu gefährlich sein.