Antoinette Hunziker-Ebneter, Mitgründerin und CEO der Forma Futura Invest zum Thema echte Nachhaltigkeitsstrategien.
Antoinette Hunziker-Ebneter hat an der Hochschule St. Gallen Betriebswirtschaft studiert. Sie startete ihre Berufskarriere bei der Bank Leu und stieg 1987 als Leiterin des Wertschriftenhandels und Verkaufs in die Direktion auf. 1995 wurde sie als erste Frau Chefin der Schweizer Börse SWX Swiss Exchange (heute SIX). In diese Phase fielen der Aufbau und die Inbetriebnahme der elektronischen Börse Schweiz sowie der 2001 lancierten paneuropäischen Börse virt-x. 2002 übernahm sie bei der Bank Julius Bär die Leitung des Trading- und Sales-Geschäftes und war Mitglied der Konzernleitung.
2006 gründete Antoinette Hunziker-Ebneter mit Partnern Forma Futura Invest, eine unabhängige Vermögensverwaltungsgesellschaft für private und institutionelle Kundschaft mit Fokus auf Anlagen, die finanziell solid sind und eine nachhaltige Lebensqualität fördern.
Seit 2014 ist sie Verwaltungsrätin der Berner Kantonalbank (BEKB), seit 2015 Verwaltungsratspräsidentin.
Interview mit Antoinette Hunziker-Ebneter:
Forma Futura Invest AG
Wer sind Sie?
Ich bin ein neugieriger und naturverbundener Mensch, der die Menschen, die Lebewesen grundsätzlich liebt. Ich wollte ursprünglich Biochemie studieren, habe mich dann aber aus praktischen Gründen für ein Betriebswirtschaftsstudium an der Universität St. Gallen entschieden. So bin ich in der Welt der Finanzwirtschaft angelangt. Dort ist mir bewusst geworden, wie Geld die Welt bewegt und welch grosse Verantwortung die Finanzdienstleister eben auch im Zusammenhang mit dem ökologischen Umbau tragen. Dies hat mich dazu bewogen, mit Partnern mit derselben Wertebasis wie ich Forma Futura zu gründen.
Welches sind die Attribute dieser Wertebasis?
Die Attribute, die unmittelbar mit der Nachhaltigkeit verbunden sind: Integrität; Respekt vor Mensch, Tier und Umwelt; Verantwortung gegenüber seinem Tun, seinen Worten, ja möglichst auch mit seinen Gedanken; Mut, Nein zu sagen.
Sie gelten als Pionierin der nachhaltigen Anlageberatung. Was hat sich in den letzten 15 Jahren in Ihrer Branche geändert?
Das nachhaltige Anlegen hat sich von einem Sprössling zu einer blühenden Pflanze entwickelt, hat sich also aus dem Nischenmarkt herausbewegt und ist Mainstream geworden. Manche sprechen von einem Trend. Ich bin der Überzeugung, dass es kein Trend ist. Es wird der neue Standard im Anlagegeschäft sein, soweit er es nicht bereits ist.
Der wachsenden Nachfrage folgend ist die Auswahl der nachhaltigen Anlagen viel grösser geworden.
Dieses Wachstum ist positiv, birgt aber mangels Transparenz auch Risiken. Doch die Gesetzgeber sind nun auch aktiv geworden.
Das ist die andere wesentliche Weiterentwicklung. Es sind Regulierungen entstanden betreffend die Qualität von ESG-Finanzanlagen und deren Reporting. Die EU ist mit der EU-Taxonomie, welche die Wirtschaftsaktivitäten in nachhaltig/nicht nachhaltig klassiert, und der darauf aufbauenden SFDR (Sustainable Finance Disclosure Regulation) mit den Regeln und Pflichten betreffend Offenlegung, bereits weit fortgeschritten. Sie geht das Thema umfassender an als die Schweiz, deren Regulierung sich noch auf das Thema Klima beschränkt. Die Gesetze bezwecken die Neuausrichtung von Kapitalströmen mit Fokus auf nachhaltige Investitionen, Etablierung von Nachhaltigkeit als Bestandteil des Risikomanagements sowie Förderung und Ermutigung zu langfristigem Investieren und Wirtschaften.
Unternehmen können die Nachhaltigkeit so betreiben, indem sie laufend die Produkte und die Produktion verbessern, oder indem sie grundsätzlich das Geschäftsmodell anpassen. Welchem Ansatz folgen Sie mit Ihrer Anlagestrategie?
Ich möchte dies anhand des folgenden Bildes aufzeigen: Fussabdruck verringern und Handabdruck vergrössern. Konkret: sowohl die Umwelteinwirkungen mittels Einsparungen zu reduzieren als auch neue Lösungen (neue Geschäftsmodelle, neue Produkte) zu entwickeln.
Ich bin davon überzeugt, dass disruptive Geschäftsmodelle zur Transformation beitragen. Als Henry Ford Anfang des 20. Jahrhunderts begann, das Automobil als ein für jedermann erschwingliches Fortbewegungsmittel zu entwickeln, standen die Transportunternehmen vor der Frage, noch bessere und schnellere Kutschen auf den Markt zu bringen oder aber auf die neue Technologie zu setzen. Überlebt haben jene, die sich für das neue Modell entschieden haben.
Ein Unternehmen, das heute die Voraussetzungen für den langfristigen wirtschaftlichen Erfolg schaffen will, muss sein Geschäftsmodell nachhaltig gestalten und dieses konsequent umsetzen. Gewisse Branchen werden sich jedoch transformieren müssen, dort reichen schrittweise Anpassungen nicht aus. Diesem Grundsatz folgt unsere Anlagestrategie bei Forma Futura und auch bei der BEKB.
Was heisst „Änderung des Geschäftsmodells“ konkret für die Immobilienbranche?
Gebäude sind erstens im Kontext der Siedlungsentwicklung zu betrachten – und zwar im ökologischen, wie auch sozialen Sinne. Zweitens geht es um den schonenden Umgang mit allen Ressourcen. Dazu gehört nebst Energie auch verdichtetes Bauen für eine effiziente Bodennutzung sowie die mit Gebäuden verbundene graue Energie der Materialien.
Die Energie- Problematik ist definitiv im Bewusstsein angekommen und auch gesetzlich geregelt. Der grauen Energie wird noch zu wenig Bedeutung beigemessen. So werden in der Schweiz jährlich zwischen 3‘000 und 4‘000 Gebäude abgerissen; der Abriss ist für 84% des gesamten Abfallvolumens der Schweiz verantwortlich. Zu schnell entscheidet man sich für den Ersatzneubau und gegen die Renovation.
Können Sie die sozialen Aspekte noch konkretisieren?
Wohnen ist ein Grundrecht und die Wohnungen sind bedürfnisgerecht auszugestalten – mit allem, was dazu gehört: Barrierefreiheit, soziale Begegnungsmöglichkeiten, Gesundheit & Wohlbefinden etc. Wichtig scheint mir aber insbesondere, die Preisgestaltung bei Immobilien und deren Auswirkungen auf verschiedene Nutzergruppen gezielter zu hinterfragen. Im Schweizer Mietrecht gilt der Grundsatz der Kostenmiete. Dies heisst, dass Vermieter:innen mit den Mieteinnahmen ihre Kosten decken sollen und eine beschränkte Rendite machen können. Die Mieter:innen sind durch die Beschränkung der Rendite vor zu hohen Mieten geschützt. Lange lag die maximal zulässige Rendite bei 0,5 Prozentpunkten über dem gültigen Referenzzinssatz. 2020 wurde sie in einem Leiturteil auf maximal 2 Prozentpunkte über dem Referenzzinssatz festgelegt. Aktuell darf eine Rendite also maximal 3,25 % betragen. Höhere Renditen wären nicht nachhaltig aus sozialer Sicht, denn sie bedeuten, dass die Mieten übermässig hoch sind.
Ihre Äusserungen decken sich mehrheitlich mit den Grundsätzen der Schweizer Immobilienstandards, so auch dem SSREI. Spielt der SSREI bei Ihren Anlageentscheiden eine Rolle?
Grundsätzlich lassen wir die SSREI-Kriterien in unseren Anlageprozess miteinfliessen, können eine Teilnahme am SSREI jedoch nicht als Bedingung für ein Investment voraussetzen. Natürlich wünschen wir uns, dass immer mehr Immobiliengesellschaften mit dem SSREI arbeiten und damit die Vergleichbarkeit und Transparenz am Markt erhöhen.
Herzlichen Dank, Frau Hunziker, für Ihre Zeit und das interessante Gespräch.