Eine Frage an Tanja Sprünken, Geschäftsführerin von Baumschlager Eberle, St. Gallen

Der Bausektor und Immobilien haben eine erhebliche Auswirkung auf das Klima – nicht nur aufgrund ihres Energieverbrauchs im Betrieb, sondern insbesondere auch wegen der intensiven Nutzung und Herstellung von Baustoffen. Alternative Baustoffe gewinnen daher zusehends an Bedeutung. Die Architekten Baumschlager Eberle arbeiten seit einigen Jahren damit. Welche konkreten Erfahrungen haben sie dabei gesammelt?

Einleitend sei bemerkt, dass Langlebigkeit der wesentliche ökologische, ökonomische und kulturelle Beitrag ist, den ein Gebäude leisten kann. Architektur, die geachtet, geliebt und wertgeschätzt wird, hat langfristig Bestand und ist damit in besonderer Weise nachhaltig. Das ist unser primärer Anspruch, direkt gefolgt von der Bauweise und der Materialisierung.

Wir forschen und untersuchen schon länger den Einsatz alternativer Baustoffe wie z.B. Hanfbeton, Pflanzenkohle und Lehm. Jüngst haben wir ein Mehrfamilienhaus (siehe Bild) realisiert, bei dem all diese Baustoffe zum Einsatz kamen, nämlich Hanfziegel zur Ausfachung der Aussenwände beim Holzbau, Pflanzenkohle als Dämmstoff, wodurch Zuschlagstoffe mit negativen ökologischen Auswirkungen vermieden werden konnten., sowie Lehmbauplatten und Lehmputz im Innenbereich.


Neubau Mehrfamilienhaus Openly, Widnau

Diese umweltfreundlichen Materialien überzeugen durch ihre niedrige CO2-Bilanz, ihre natürliche Herkunft und ihre herausragenden bauphysikalischen Eigenschaften. Sie bieten eine wertvolle, nachhaltige Alternative zu herkömmlichen Baustoffen und bringen nicht nur ökologische Vorteile, sondern fördern auch die Lebensqualität der Nutzerinnen und Nutzer. Dank seiner hohen CO2-Bindung während des Wachstums wirkt Hanf feuchtigkeitsregulierend und trägt so zu einem gesunden Raumklima bei. Auch Lehm zeichnet sich durch exzellente Feuchtigkeitsregulierung aus und ist daher ein ideales Material für die Schaffung eines gesunden Raumklimas.

 


Exkurs

Hanfbeton besteht aus einer Mischung von Hanffasern, Kalk und Wasser. Er hat nicht nur
gute Dämmeigenschaften, sondern ist auch sehr leicht und gleichzeitig stabil.

Pflanzenkohle, auch Biochar genannt, wird durch die pyrolytische Verarbeitung von organischen Abfällen erzeugt. Sie hat die Fähigkeit, Kohlenstoff langfristig zu speichern,
was sie zu einem wertvollen Material im Kampf gegen den Klimawandel macht.

Lehm ist einer der ältesten und natürlichsten Baustoffe. Er wird in vielen Kulturen schon
seit Jahrhunderten verwendet.


 

Im genannten Projekt traten jedoch auch verschiedene Herausforderungen auf. Einerseits ist der Hanfziegel in seiner statischen Belastbarkeit begrenzt, andererseits mangelte es an Erfahrungen mit dem Einsatz dieses Baumaterials in dieser Grössenordnung und der Kombination mit anderen Baustoffen. So gab es beispielsweise bisher keine Brand­schutz­zertifizierung. Infolgedessen fand ein intensiver Austausch mit den zuständigen Behörden statt, der sowohl finanzielle als auch terminliche Auswirkungen hatte.
So braucht es bei einem Pilotprojekt anfangs immer etwas mehr Effort, der sich aber langfristig bei Folgeprojekten auszahlt.

 

Zur Person: Tanja Sprünken ist Dipl. Ingenieurin und Architektin. In ihrer mehr als 25-jährigen Tätigkeit als Architektin, Führungskraft und Geschäftsleiterin hat sie vielfältige Projekte unterschiedlicher Grössenordnung mit komplexen Ansprüchen begleitet.
Seit März 2022 leitet sie als Geschäftsführerin die Baumschlager Eberle St. Gallen AG.

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