Geht es um den Wert einer Immobilie, wird dieser von verschiedenen Faktoren determiniert. Demografische Entwicklungen sollten dabei nicht ausser Acht gelassen werden. Mehr dazu im Gastbeitrag von Hendrik Budliger.
Bei der Diskussion um die zukünftige Entwicklung der Immobilienpreise stehen oftmals die Lage, die Zinsentwicklung und rückblickend die Transaktionspreise sowie die Zuwanderung im Fokus. Eine konstante oder gar steigende Zuwanderung wird als gegeben vorausgesetzt. Über die Entwicklung der Wohnraumnachfrage oder eine differenzierte Betrachtung des Wanderungssaldos, d.h. der Differenz zwischen Zu- und Abwanderung, wird selten diskutiert. Während in der Vergangenheit mitunter die gute Konjunktur und günstige Finanzierungskonditionen zu einer hohen Nachfrage nach Wohneigentum führten, wird sich der Bedarf an Wohnraum durch den demografischen Wandel zukünftig stark verändern. So deutet vieles darauf hin, dass die Demografie in den kommenden Jahren und Jahrzehnten eine entscheidende Rolle bei der Preisentwicklung von Liegenschaften spielen wird. Interessant sind dabei insbesondere auch die regionalen Unterschiede auf Gemeindeebene.
Im Folgenden wird daher auf unterschiedliche Auswirkungen, Werttreiber und Risiken in Zusammenhang mit demografischen Entwicklungen eingehen.
Die Lage und Wohnraumnachfrage im Wandel der Zeit
Eine «gute Lage» wird bei der Bewertung von Immobilien oft als zentrales Argument angeführt. Die Attraktivität einer Lage hat jedoch auch einen subjektiven Charakter und steht in direkter Abhängigkeit mit der jeweiligen Lebenssituation sowie dem Alter der potenziellen Bewohner. Insbesondere mit dem Übergang von der Berufstätigkeit in den Ruhestand sind denn auch Verschiebungen in den Wohnpräferenz zu erwarten. Schliesslich verändern sich auch die Nachfrage nach Wohnraum und der Wunsch nach Eigentum im Laufe des Lebens und werden durch die sich verändernde Bevölkerungsstruktur geprägt. Während der Wohnraumbedarf über die Lebensphasen und mit den finanziellen Möglichkeiten kontinuierlich steigt, nimm er mit fortschreitendem Alter wieder ab. Besonders hoch ist der Bedarf im familienbildenden Alter, doch geht er, sind die Kinder einmal ausgezogen, in der Regel wieder deutlich zurück.
In den kommenden Jahren tritt mit den Baby-Boomern (Jahrgänge 1946 bis 1964) ein Grossteil der Bevölkerung ihren Ruhestand an. Diese werden vermehrt aus grösseren Wohneinheiten ausziehen oder ihr Eigenheim verkaufen und sich nach kleineren, altersgerechten Wohnungen umsehen. Demgegenüber steht mit den Millennials eine neue Generation im familienbildenden Alter. Doch diese ist – Stichwort Überalterung – zahlenmässig deutlich kleiner und auch in Bezug auf die Kaufkraft weniger potent. Das auf den Markt kommende Angebot wird daher kaum absorbieren werden können.
Das Bevölkerungswachstum
Der drohende Angebotsüberhang an Wohnliegenschaften könnte allenfalls dann kompensiert werden, wenn die Schweiz das anhaltende Bevölkerungswachstum seit der Jahrtausendwende aufrechterhalten kann. Das Wachstum hängt dabei von der Anzahl Geburten, der Migration und den Todesfällen ab. In den letzten Jahren wuchs die Schweizer Bevölkerung um 0.7% pro Jahr. Die Fertilitätsrate ist mit 1.5 jedoch zu gering, um das Wachstum sicherzustellen. Dennoch rechnet das Bundesamt für Statistik das Szenario einer Schweiz mit 10 Millionen Einwohnern im Jahr 2040. Tatsächlich ist es das mittlere von drei Szenarien. Im hohen Szenario wird dieser Wert bereits 6 Jahre früher erreicht, während die Bevölkerungszahl im tiefen Szenario stagniert, die Bevölkerung im erwerbstätigen Alter bereits ab 2025 sinkt und die 10-Millionen-Schwei gar nicht erst erreicht wird. Es gibt sodann auch schlagkräftige Argumente, welche gegen dieses anhaltende Wachstum sprechen und einen Abbruch beim Wanderungssaldo nahelegen. So stehen Länder, aus denen die Schweiz historisch die höchste Zuwanderung verzeichnet, namentlich sind dies Deutschland, Frankreich, Spanien, Portugal und Italien, mit Ausnahme von Frankreich, vor einer noch deutlicheren Überalterung. Hinzukommt der ungebrochene Trend der Rückwanderung – zwei Drittel der Eingewanderten zieht es dann auch wieder zurück in ihr Heimatland. Mit Portugal hat die Schweiz seit 2019 gar einen negativen Wanderungssaldo. Wenn der Wanderungssaldo also weiter rückläufig bleibt und sich die Migrationspolitik der Schweiz bezüglich Einwanderung aus Drittstaaten nicht ändert, scheint das tiefe Szenario daher am wahrscheinlichsten.
Das Demografische Risiko einer Immobilieninvestition
Wer in Immobilien investiert, sollte sich daher unter anderem dazu Gedanken machen, wie lange er die Liegenschaft halten respektive an wen er sie vermieten oder allenfalls wieder verkaufen möchte. Die durchschnittliche Haltedauer einer Liegenschaft in der Schweiz beträgt 12 Jahre. Die Fragestellung, welche sich daraus ergibt, lautet also: Gibt es in der Gemeinde, in der die Immobilie steht in 12 Jahren eine tendenziell grössere oder kleinere Nachfrage nach diesem Objekt? Oder anders gefragt, wie setzt sich die Alters- und Bevölkerungsstruktur zusammen? Wichtige Determinanten, welche es zu berücksichtigen gilt. Erfahrungen haben jedoch gezeigt, dass sich dennoch nur wenige Investoren über die demografischen Risiken einer jeweiligen Gemeinde bewusst sind. Dies, obschon die Veränderung der Nachfrage nach Wohnraum über die Zeit, einen direkten Einfluss auf den Wert einer Liegenschaft haben kann. Die Wohnraumnachfrage ist von verschiedenen diesbezüglichen Variablen, wie beispielsweise der Bevölkerungs- und Altersstruktur, Haushaltsgrösse sowie der Zu- und Abwanderung, abhängig. Diese Faktoren können von Gemeinde zu Gemeinde stark variieren, weshalb sich auch der Wiederverkaufswert respektive Mietzins von Nachbargemeinden signifikant unterschiedlich entwickeln kann.
Demografische Entwicklungen können schliesslich auch die Hypothekarvergabe beeinflussen. Steht die Immobilie in einer Gemeinde deren Bevölkerung aufgrund stetiger Zuzüge aus dem In- und Ausland oder einer hohen Fertilitätsrate nicht oder nur unterdurchschnittlich altert, so scheint die Nachfrage erwartungsgemäss intakt. Was sich im Sinne der klassischen Risikobeurteilung in tieferen Finanzierungskosten widerspiegeln sollte.
Die demografischen Risiken eines Objekts zu kennen und zu verstehen ist für Investor daher von grösster Bedeutung und sollte in Anlageentscheidungen zwingend berücksichtigt werden.
Das viel diskutierte «Wohnen im Alter» und damit einhergehende objektspezifische Charakteristiken wie die Nutzungsflexibilität und -variabilität, Barrierefreiheit, die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel etc., sind dabei weitere wichtige Aspekte, welche in direkter Beziehung zu den demografischen Entwicklungen stehen.
Autor: Hendrik Budliger
Hendrik Budliger studierte Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften an der Universität St. Gallen und ist Gründer und Leiter der Demografik, dem Kompetenzzentrum für Demografie. Zudem ist er Herausgeber der Buchreihe «Demografie und Wirtschaft» im Springer Verlag.