Helen Oswald, Head Sustainability bei der Nova Property Fund Management AG, im Gespräch über ihre Erfahrung mit den komplementären Ansätzen SSREI und GRESB.
Helen Oswald ist seit 2019 bei Nova Property und übernahm dort 2022 den Bereich Nachhaltigkeit. Sie hat Architektur an der ETH Zürich und Betriebswirtschaft an der Universität St. Gallen studiert sowie eine Weiterbildung im Bereich Immobilientreuhand absolviert. Seit 18 Jahren bewegt sie sich in dem Spannungsfeld zwischen Qualitätsanspruch, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit.
Interview mit Helen Oswald:
Head Sustainability, Nova Property Fund Management AG
Wer sind Sie?
Ich sehe mich als Allrounderin im Immobilienmanagement mit Erfahrungen sowohl im baulichen Bereich als auch in der Immobilienökonomie. Gerade der ganzheitliche Nachhaltigkeitsansatz, dem wir bei Nova Property verpflichtet sind, erfordert ein breites Fachwissen. Nach Stationen in national und international bekannten Architekturbüros und bei einem namhaften Immobilienberatungsunternehmen fing ich 2019 als Bauprojektleiterin bei Nova Property an, bevor ich im Jahr 2022 die Leitung für den Nachhaltigkeitsbereich übernahm. Nova Property ist eine FINMA geprüfte, inhabergeführte Schweizer Fondsleitung und verfügt über ein umfassendes Leistungsportfolio zur Immobilienbewirtschaftung. Bei Nova Property sind wir überzeugt, dass der Einbezug von Nachhaltigkeitskriterien ein wichtiger Erfolgsfaktor unserer Geschäftstätigkeit darstellt.
Der Swiss Central City Real Estate Fund (SCCREF) und die Anlagestiftung 1291 gehören zu den Anlageprodukten im Swiss Sustainable Real Estate Index. Welche Argumente waren ausschlaggebend für Ihren Entscheid, diesen Standard für die Gebäudebestandsbewertung anzuwenden?
Nova Property ist Fondsleiter des SCCREF und verwaltet die 1291 Die Schweizer Anlagestiftung als ganzheitliches Mandat. In dieser Funktion suchten wir ein Instrument, das eine umfassende Bewertung unserer Immobilienportfolien hinsichtlich der Nachhaltigkeit erlaubt – und zwar auf eine pragmatische Art. Unser Ziel war es, ein gesamtheitliches Bild über die nachhaltige Qualität unseres Gebäudebestands zu erhalten, ohne dabei Mikromanagement zu betreiben. SSREI hat diese Anforderungen erfüllt, weshalb wir uns für diesen Standard entschieden haben.
Was verstehen Sie unter Mikromanagement?
Unter Mikromanagement verstehen wir, mit viel Aufwand Details zu evaluieren, welche für die strategische Weiterentwicklung des Portfolios nicht primär von Belang sind. Die Analyse muss so umfassend und dennoch überschaubar sein, dass daraus die Objektstrategie sowie Optimierungsmassnahmen – beim SSREI in 36 Indikatoren operationalisiert – abgeleitet werden können.
Wir unterscheiden in unserem Vorgehen zwischen Bestandsliegenschaften und Projektentwicklungen. Für die Beurteilung der Bestandsliegenschaften erachten wir SSREI als ein effizientes Instrument, das die Liegenschaften einerseits auf ihre nachhaltige Gebäudequalität hin beurteilt und andererseits eine Betrachtung auf Portfolioebene erlaubt. Dieser wirtschaftliche Ansatz erlaubt uns, mit den freigesetzten Ressourcen Massnahmen anzustossen, die effektiv zur Verbesserung, bspw. der Absenkung von CO2-Emissionen mittels Betriebsoptimierungen, bei den Bestandsliegenschaften führen.
Die Geschäftsliegenschaft in Kemptthal, Kanton Zürich, ist denkmalgeschützt und wurde im Jahr 2019 saniert. (Eine Liegenschaft der Anlagegruppe Immobilien Schweiz von 1291 Die Schweizer Anlagestiftung)
Das sich in der Projektierungsphase befindliche Wohn- und Geschäftshochhaus in Effretikon, Kanton Zürich, soll nach SNBS zertifiziert werden. (Eine Projektentwicklung der Anlagegruppe Nachhaltige Immobilienprojekte von 1291 Die Schweizer Anlagestiftung)
Wenden Sie diesen Pragmatismus auch bei den Projektentwicklungen an?
Dort ist die Situation eine andere. Bei Projektentwicklungen sehen wir mehr Potenzial für den Einsatz der bekannten ganzheitlichen Zertifizierungen wie z.B. SNBS (Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz) oder LEED (Leadership in Energy and Environmental Design), da bei einem Neubau oder einer Gesamtsanierung mehr Möglichkeiten und Gestaltungsraum hinsichtlich der nachhaltigen Massnahmen vorhanden sind. So sieht unsere Zertifizierungsstrategie vor, bei Projektentwicklungen die etablierten Gebäudestandards wie SNBS und bei Bestandsliegenschaften den SSREI anzuwenden.
Trotzdem – ganz ohne Aufwand geht es auch beim SSREI nicht. Beim SSREI handelt es sich um ein sogenanntes Certification Scheme (welches auch von GRESB als ein solches anerkannt wird) , d.h. Ihre Selbstbewertung wird durch ein Expertengremium mittels gezielter, repräsentativer Stichproben überprüft. War das „Pain“ oder „Profit“? Und wie beurteilen Sie den Aufwand?
Unsere Erfahrung zeigt, dass die Selbstbewertung auf der Basis des SSREI-Portfoliobewertungstools, welche von Kundenseite vorgenommen werden muss, vom Aufwand her durchaus machbar ist. Ein gewisses internes Fachwissen, beispielsweise im baulichen Bereich, ist hierfür erforderlich. Die Selbstevaluation ist dabei ein sinnvoller erster Schritt für das weitere Arbeiten mit dem Bestands-Portfolio. Die Gespräche mit dem SSREI-Prüfgremium habe ich als Bereicherung empfunden. Es ist ein hochkarätiges Expertenteam, das unser Verständnis für nachhaltige Immobilien nochmals schärfen konnte.
Der Entscheid, Ihr Unternehmen dann auch bei GRESB raten zu lassen, kam später. Welche Vorteile hat Ihnen dabei die Teilnahme am SSREI gebracht?
Bei SSREI bekommt man eine Aussage über die nachhaltige Qualität des Portfolios auf Gebäudeebene; bei GRESB bekommt man eine Aussage darüber, wie nachhaltig das Unternehmen geführt wird. SSREI und GRESB verhalten sich somit komplementär zueinander, wodurch wir ein holistisches Bild unserer Unternehmensaktivitäten wie auch unseres Gebäudeportfolios erhalten. Wer mit dem SSREI arbeitet, kann denn auch sein GRESB-Rating in verschiedenen Bereichen verbessern. So anerkennt GRESB den SSREI mitunter auch in der entsprechenden Nachweisführung.
Wie reagieren die Investoren auf SSREI?
Wir werden beim Austausch mit Investoren nebst GRESB auch immer wieder auf den SSREI als Portfoliobewertungs-Instrument hingewiesen. Von ASIP (Schweizerischer Pensionskassenverband) wird SSREI beispielsweise explizit als ergänzendes Rating-Instrument zu GRESB empfohlen (siehe hierzu die „ASIP ESG-Wegleitung für Schweizer Pensionskassen“ auf den Seiten 31/32).
Wo sehen Sie noch konkretes Verbesserungspotenzial beim SSREI?
Wie oben festgehalten dient uns der SSREI als Basis für die Weiterentwicklung unseres Bestands-Portfolios. Hierfür muss ich mit den Daten arbeiten und noch gezieltere Auswertungen machen können. So möchte ich zum Beispiel «auf Knopfdruck» auswerten können, wo wir noch Verdichtungspotenziale auf Gebäudeebene haben, um diese Potenziale gezielt ausschöpfen zu können. Wenn sich das SSREI-Portfoliobewertungstool in diese Richtung weiterentwickeln würde, wäre das sehr begrüssenswert.
Herzlichen Dank, Frau Oswald, für Ihre Zeit und das interessante Gespräch.