SIA 390/1 versus Gebäudelabels des Bundes

Ein Viertel der Treibhausgasemissionen in der Schweiz werden vom Gebäudesektor (Erstellung und Betrieb) verursacht (Quelle). Für die Berechnung dieser Emissionen stehen verschiedene SIA-Normen und Merkblätter zur Verfügung. Diese wurden 2025 mit der Norm SIA 3901/1 «Klimapfad – Treibhausgasbilanz über den Lebenszyklus von Gebäuden» ergänzt.

Die Ermittlung der Treibhausgasemissionen aus den Bauteilen und dem gesamten Gebäude erfolgt mit der sogenannten Methode der Ökobilanzierung, auch Life Cycle Assessments (LCA) genannt. Die Methode zur Erstellung einer Ökobilanz eines Gebäudes oder Bauteils wird im Merkblatt SIA 2032 «Graue Energie – Ökobilanzierung für die Erstellung von Gebäuden» beschrieben. Die Norm SIA 390/1 fordert eine Berechnung nach SIA 2032. Die verschiedenen Labels wie Minergie, Minergie-ECO und SNBS stützen sich im Grundsatz ebenfalls auf die Methodik von SIA 2032 – mit teilweisen kleineren Unterschieden.

Die Formel zu Ermittlung der Treibhausgasemissionen aus der Erstellung ist wie folgt:
Ökobilanz pro Jahr = (Menge eines Materials * Umweltwirkung pro Menge) / Nutzungsdauer

Die Umweltwirkungen der einzelnen Materialien sind in der Liste der Ökobilanzdaten im Baubereich (sogenannte «KBOB-Liste») enthalten. Für die Berechnung auf Bauteil- oder Gebäudeebene gibt es eine Vielzahl von Tools für die frühe Planungsphase wie z.B. Viride, Ecotool, Rechenhilfe SIA 390/1 oder für die Phase Bau-/Ausführungsprojekt wie z.B. Lesosai, Enerweb oder Thermo.

Die Norm SIA 390/1 und die Labels Minergie, Minergie-ECO und SNBS stellen unterschiedliche Anforderungen an die Treibhausgasemissionen von Gebäuden:

  • SIA 390/1 stellt Anforderungen an die Treibhausgasemissionen aus der Erstellung und dem Betrieb (Zusatzanforderung) sowie aus der Erstellung, Betrieb und der Mobilität (Zielwert). Diese gibt es in zwei Anforderungsniveaus:
    – Basis (leichte Verschärfung zum Merkblatt SIA 2040 «SIA Effizienzpfad Energie»)
    – Ambitioniert (angelehnt an die Netto-Null Ziele des Bundes)
  • Minergie-ECO definiert zwei projektspezifische Grenzwerte:
    – Der untere, strengere Grenzwert: Er orientiert sich am Richtwert für die Erstellung aus der Norm SIA 390/1
    – Der obere Grenzwert: Er wurde anhand einer Auswertung von gebauten Beispielen ermittelt.
  • Der SNBS (Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz) verwendet die projektspezifischen Grenzwerte von Minergie-ECO und bildet sie in Kategorien resp. Noten von 1 bis 6 ab.

Wie sich dieser methodische Unterschied konkret manifestiert, zeigt das folgende fiktive Beispiel:

Quelle: FHNW, Prof. Daniel Kellenberger (Zahlen beziehen sich auf die Anforderungen im Jahr 2024)

Welcher Standard oder welches Label auch immer zur Anwendung kommt, die beste Lösung ist stets, so wenig und so ökologisches Material wie möglich zu verwenden respektive wiederzuverwenden. In den neuen Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn) sind Grenzwerte für die Erstellung enthalten. Das bedeutet, dass – sobald die MuKEn in die Energiegesetze überführt worden sind – alle neuen Projekte neben dem Energienachweis für den Betrieb auch die Einhaltung der Anforderungen an die grauen Treibhausgasemissionen nachweisen müssen.

Quelle: Lebenszyklusbetrachtung eines Gebäudes nach Merkblatt SIA 2032

Autor: Daniel Kellenberger, Professor für Nachhaltiges Bauen – Ökobilanzierung an der Fachhochschule Nordwestschweiz fhnw sowie Präsident der SIA-Kommission 390/1.

 

EcoTool AG

Die EcoTool AG ist Anbieter einer Ökobilanzierungs-Software. Sie gehören zu den SSREI-Dienstleistern. EcoTool unterstützt Bauherrschaften dabei, graue Emissionen schon in Architekturwettbewerben sichtbar zu machen. Mit unserer Software werden die Umweltauswirkungen von Bauprojekten – von der Erstellung bis zum Betrieb – transparent und vergleichbar. So können Nachhaltigkeit, Architektur und Kosten gleichermassen in die Entscheidungsfindung einfliessen. Das Bauherren-Cockpit ermöglicht die schnelle Auswertung aller Einreichungen. Automatisierte Reports und standardisierte Kriterien schaffen Klarheit für Jury und Projektteams. 100% anonyme Verfahren sichern die Qualität der Entwürfe, während die ökologischen Auswirkungen messbar werden. So setzen Bauherrschaften schon im Wettbewerb ein klares Zeichen für zukunftsfähiges Bauen. Weitere Informationen finden Sie bei EcoTool.

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