Die Bevölkerung in der Schweiz wächst kontinuierlich und nähert sich der 10-Millionen-Grenze. Welche Lösungen werden aktuell in der Branche diskutiert, um mehr Wohnraum zu schaffen?
Der Mangel an ausreichend Wohnraum treibt die Mieten in die Höhe und stellt die Politik vor grosse Herausforderungen. In diesem Beitrag werden nun diverse Massnahmen vorgestellt, welche diese Situation entschärfen könnten.
Verdichten
Insbesondere in den Zentren und an urbanen gut erschlossenen Lagen, sollen höhere Gebäude gebaut respektive bestehende aufgestockt werden können. Damit werden nicht nur mehr Kapazitäten pro Grundstück geschaffen, sondern gleichzeitig auch der Anteil an versiegelter Fläche reduziert.
Kleinere Wohneinheiten
Mit der Schaffung von Einheiten mit geringerer Wohnfläche bis hin zu Clusterwohnungen soll der demografischen Entwicklung Rechnung getragen werden, lebt doch gemäss Bundesamt für Statistik in mehr als einem Drittel der Haushalte nur gerade eine Person, was 17% der ständigen Wohnbevölkerung entspricht. Dieser Prozess ist bereits im Gange.
Umzugsanreize setzen
Hierzu können verschiedene Ansätze zum Zuge kommen: Modelle à la «Accu» (ein damals von der Credit Suisse initiiertes Zürcher Pilotprojekt, bei welchem beim Umzug in eine kleinere Wohnung der bestehende Quadratmeterpreis zugesichert wird, bis hin zu steuerlichen Anreizen für die Nutzung von weniger Fläche, wie das bspw. Luca Lardi, Präsidenten des Schweizerischen Baumeisterverbandes, vorschlägt. Dieses Anliegen knüpft an die entsprechende Raiffeisen-Studie vom Frühling vergangenen Jahres an, wonach mittels idealer Raum-Allokation rund 170’000 Wohnungen à 100 Quadratmeter freigespielt werden könnten.
Bestehendes Bauland ausschöpfen
Rund 15% der ausgeschiedenen Bauzonen sind unbebaut, was einer Wohnkapazität für 1.6 Mio. Menschen entspricht.
Industrieflächen umzonen
In der Schweiz gibt es 400 brachliegende Industrieareale, wovon sich 80% im urbanen Raum befinden. Diese könnten durch Anpassungen der Bauzonenordnung in Wohnnutzung transformiert werden und somit enorme Kapazitäten freisetzen.
Bewilligungsverfahren vereinfachen und Fristen einhalten
Unnötig komplizierten Bewilligungsverfahren und langwierigen Debatten ist Einhalt zu gebieten. Die Prozesse müssen standardisiert und mit verbindlichen Fristen belegt werden, was mittels entsprechender personeller Ressourcen und digitaler Verfahren ermöglicht werden kann.
Einsprachen unterbinden
Projektverhinderern und der ausufernden Einsprachenkultur müssen Hürden in den Weg gestellt werden. So fordert Ständerätin Andrea Gmür-Schönenberger in ihrer Motion an den Bundesrat ein Preisschild für entsprechende Rekurse.
Systembau fördern
Systembau beschleunigt und vergünstigt den Bau. Da entsprechende Elemente zudem oft einen massgeblichen Holzanteil aufweisen, bestehen zudem auch ökologische Vorteile.
Wohnungsbau (staatlich) unterstützen
Die staatliche Wohnbauförderung sollte ausgebaut werden. So unterstützen heute Bund, Kantone und Gemeinden den gemeinnützigen Wohnungsbau indirekt mittels vergünstigter Abgaben von Bauland, durch Vorgaben bei Umzonungen und Projektentwicklungen sowie dem Fonds de Roulement (zinsgünstige Darlehen). Weitere Instrumente könnten bspw. Vorkaufsrechte für die öffentliche Hand, (Staats-)Fonds für Land- und Liegenschaftskäufe sowie direkte Subventionen sein.
Eine weitere Möglichkeit findet sich in der Förderung des staatlichen Wohnungsbaus, in Anlehnung an das Singapur-Modell. In Singapur baut und verwaltet das Housing and Development Board (HDB), eine staatliche Behörde, Wohnkomplexe mit günstigem Wohnraum. Der Land Acquisition Act ermöglicht es dem Staat dabei, Grundeigentum für öffentliche Zwecke, grösstenteils finanziert aus Erträgen der Staatsfonds, zu erwerben – de facto also ein staatliches Kaufrecht an Bauland.
Airbnb-Angebote einschränken
Gemäss einem Beitrag im Tages-Anzeiger vom 11. März 2023 gab es bereits vor rund 2 Jahren über 40‘000 Airbnb-Wohnungen in der Schweiz. Diese Angebote führen zu einer weiteren Verschärfung des Wohnungsmangels. Die Kantone Genf, Bern und Tessin sowie die Stadt Luzern haben bereits gesetzliche Einschränkungen erhoben, um das Problem zu entschärfen (Für weiterführende Informationen verweisen wir auf die Studie «Aktuelle Ansätze zur Regulierung von Airbnb in der Schweiz» der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete SAB).
Zonenvorschriften entschlacken und flexibler gestaltem
In Anlehnung an das japanische Modell, bei welchem die Zoneneinteilung auf einem Multi-Use-Konzept basiert, in welchem, mit Ausnahme der exklusiven Industriezone, in jeder der 12 Basiszonen Wohnnutzungen gestattet sind. Dies erlaubt eine Anpassung der Projektentwicklungen an die vorherrschende Nutzungsnachfrage ohne vorgängige, langwierige Umzonungsverfahren aufgrund starrer Zonenvorschriften.
Quelle: https://www.rahulshankar.com/zoning-in-japan/amp/
Zonenvorschriften beseitigen
In Anlehnung an das Modell Grossbritanniens, wo anstelle eines Bauzonensystems mit vorbestimmten Landnutzungen und «Bebauungsregeln» ein diskretionäres System vorherrscht, in welchem die lokale Planungsbehörde Projektbegehren individuell prüft und bewilligt, was – auch im Vergleich zum japanischen Modell – eine maximale Nutzungs- und Ausnützungsflexibilität ermöglicht.
«Weisse Zonen» errichten
Damit sind Zonen gemeint, welche praktisch ohne Restriktionen bebaut werden können (Wir verweisen hier auf die Studie «Standortfaktor Wohnen Zug – ein planungsrechtliches und immobilienökonomisches Gedankenexperiment» im Auftrag des Amts für Raum und Verkehr, der Baudirektion Zug).
2-Phasen-Baubewilligung
Dabei soll die 1. Baubewilligung zum Zeitpunkt des Vorprojekts und 2. Baubewilligung zum Zeitpunkt des Bauprojekts erfolgen. Dies würde Risiken reduzieren und allenfalls den Bewilligungsprozess beschleunigen.