Jürg Capol, Eigentümer der Utilita Management GmbH, welche die Immobilien der Utilita Anlagestiftung verwaltet, zum Thema «gemeinnütziger und preiswerter Wohnraum»
Wer sind Sie?
Ich bin ursprünglich Architekt ETH und besitze nebst einem Diplom in Raumplanung ein MBA der McGill University. Als Projektentwickler durfte ich Grossprojekte im In- und Ausland leiten und baute eine Niederlassung in Asien für eine Firma auf, die in Public-Private-Partnership-Projekten aktiv war. Nach mehreren Jahren in der Direktion eines Schweizer Immobilienfonds entschloss ich mich, meine Erfahrung für den Aufbau der Utilita Anlagestiftung zur Verfügung zu stellen. Mein Interesse gilt besonders der Wirtschaft im Dienst der Gesellschaft.
Die Utilita gilt als einzigartig in der Immobilienbranche. Wie lautet Ihr Geschäftsmodell?
Utilita ist eine unabhängige, unpolitische Anlagestiftung. Wir investieren Kapital von Pensionskassen in gemeinnützigen und preiswerten Wohnraum. Unser Ziel ist es, zwei fundamentale gesellschaftliche Bedürfnisse miteinander zu verbinden: die Sicherung der Altersvorsorge – also die verantwortungsvolle Anlage der Beiträge von Arbeitnehmenden – und die Förderung von bezahlbarem, lebenswertem Wohnraum für Menschen, die Schwierigkeiten haben, ihre Wohnbedürfnisse am freien Markt zu decken. Letztlich sprechen wir von denselben Bevölkerungsgruppen. Wir verstehen uns als wirtschaftliches Anlagevehikel im Dienst der Gesellschaft.
Der Druck auf den Wohnungsmarkt wächst stetig, und auch politische Interventionen nehmen zu. Wird die Diskussion in den Medien und in der Politik nicht dramatisiert, könnte man nicht den Markt die Situation regeln lassen?
Wir betrachten die Sache nicht ideologisch, sondern ökonomisch. Wohnimmobilien erfüllen zwei sehr unterschiedliche Funktionen:
Einerseits decken sie ein Grundbedürfnis nach physischem Schutz, Sicherheit und Identifikation ab, andererseits aber auch jenes, sich im Gesellschaftsgefüge zu verwirklichen und zu entwickeln.
Diese beiden Aspekte im gleichen Immobilienmarkt gehorchen unterschiedlichen wirtschaftlichen Mechanismen und bringen unterschiedliche Risiken und Chancen mit sich.
Inwiefern kommt der Markt diesen beiden Bedürfnissen nicht nach?
Der Markt produziert vorwiegend Immobilienprojekte für den zweiten Aspekt von Bedürfnissen und ist mehrheitlich auf das obere Einkommenssegment ausgerichtet. Während in diesem Segment Auswahlmöglichkeiten bestehen, ist das im Bereich des Grundbedarfs nicht der Fall. Insbesondere für sozial schwächere oder ältere Bevölkerungsteile liegt die Tragbarkeit der Mieten im Haushaltsbudget oft über der Schmerzgrenze, und es bestehen keine Wahlmöglichkeiten. Die Tragbarkeit der Wohnkosten eines wachsenden Bevölkerungsteils nimmt stetig ab. Gleichzeitig wird aber das Wohnangebot vor allem im oberen Mittelpreissegment ausgebaut. Wenn eine wachsende Zahl von Menschen aus Bezahlbarkeit nicht mehr frei wählen kann, wo und wie sie wohnen, entsteht eine gesamtgesellschaftliche Schieflage. Das ist nicht nur ein gesellschaftliches, sondern ein wirtschaftliches Risiko.
Das heisst, wir müssen zurück zu staatlicher Planwirtschaft?
Unsere Position ist klar: Weder staatliche Planwirtschaft noch ein rein wettbewerbsgetriebener Marktmechanismus sind für diese Herausforderungen allein ausreichend. Nachhaltige Lösungen entstehen durch das Zusammenspiel von allen Marktakteuren und der öffentlichen Hand – auf Basis gemeinsamer Prinzipien, nicht durch starre Regulierung, die sich kontraproduktiv auswirken kann.
Wo sehen Sie denn Ansätze, wenn weder Regulierung noch freier Marktmechanismus die Lösung bringt?
Ein zentrales Problem liegt in der Intransparenz des gemeinnützigen Sektors, der mit Vorurteilen behaftet ist. Viele gemeinnützige Akteure sträuben sich gegen wirtschaftliche Mechanismen und finden diese unmenschlich, sind aber gleichzeitig abhängig von hohen Bankfinanzierungen und Krediten. Auf der anderen Seite fehlt vielen Wirtschaftsakteuren das Verständnis für die spezifischen Rahmenbedingungen, die Dringlichkeit bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, sowie die Chancen und Risiken in diesem Sektor.
Da muss gegenseitig Aufklärungsarbeit geleistet werden. Wir setzen uns daher für mehr Transparenz ein – durch Mitwirkung in Fachgremien und einschlägigen Verbänden, Mitentwicklung von Benchmarks und bessere Datenverfügbarkeit –, um den Impact und die Prozesse, die in diesem Sektor herrschen, sichtbar zu machen.
Letztendlich geht es darum, dass alle Akteure die gleiche Sprache sprechen, zusammenfinden und sich nicht politisch bekämpfen.
Ist der gemeinnützige Wohnbausektor mit dem «Profitverbot» wirklich interessant für Investoren oder ist das eine Illusion?
Im gemeinnützigen Bereich herrscht effektiv ein „Profitverbot“, da ja die öffentliche Hand auch Hilfe leistet, die nicht ausgenützt werden sollte. Das bedeutet jedoch nicht, dass keine wirtschaftlichen Werte geschaffen werden. Hier nur ein Beispiel: Ein klassischer gemeinnütziger Bauträger ist meistens überdurchschnittlich hoch fremdfinanziert – nämlich bis zu 90% und sogar darüber –, was Rückstellungen und Amortisationen und folglich «Kriegskassen» erfordert. Der gesamte Cashflow ist also gebunden oder fliesst aus dem System heraus. Am Ende vom Tag bleibt für den Bauträger nicht viel übrig, also kein Profit.
Setzt man dasselbe Modell jedoch mit Eigenkapital in einem Portfolio um – wie bei uns –werden die sehr stabilen und gut planbaren Finanzflüsse frei. Diese fliessen dann wieder zweckgebunden und wertgenerierend in das Portfolio zurück. Diese Cashflows sind nicht nur vergleichbar mit marktwirtschaftlichen Immobilieninvestitionen, sondern oft sogar robuster. Auch die Bewertungsmethoden und Buchführung spielen dabei natürlich eine zentrale Rolle, um diesen tatsächlichen Wert sichtbar zu machen, was bei gemeinnützigen Bauträgern infolge anderer Berechnungsmethoden oft nicht der Fall ist.
Diese Art des Cashflows ist interessant für langfristig orientierte Anleger mit Bedarf an Investitionen mit tiefen Risiken und stabilen Cashflows, wie Pensionskassen, die ja ebenfalls gemeinnützige Organisationen sind und einen zentralen gesellschaftlichen Auftrag erfüllen. Somit kann der gemeinnützige Sektor als Ganzes und den Zugang zu preiswertem Wohnraum im Spezifischen gefördert werden.
Ist ein gesellschaftlicher Mehrwert nicht automatisch mit höheren Kosten und Aufwendungen verbunden?
Das muss nicht sein. Fälschlicherweise wird in der Diskussion über gemeinnützige Immobilien häufig nur über die Kosten gesprochen. Aber der eigentliche Wert ergibt sich ebenfalls aus dem Verhältnis von Risiko, Zeit und Wirkung. Geringeres Risiko über längere Zeit bedeutet einen höheren Wert. Und genau das kennzeichnet eine Investition in gemeinnützige Wohnimmobilien.
Mit einer Investition in Utilita kommt dieser Mehrwert nicht nur den Bewohnerinnen und Bewohnern zugute, sondern über die Berufsvorsorge letztlich der gesamten Bevölkerung. Unser Ziel ist es, dass gemeinnützige Wohnimmobilien als eigenständige und werthaltige Anlageklasse wahrgenommen werden – mit echtem Diversifikationspotenzial und gesellschaftlichem Impact.
Wohnen hat ja nicht nur mit Wirtschaftlichkeit bzw. Bezahlbarkeit zu tun. Wie stellen Sie sicher, dass Sie gesellschaftlichen Mehrwert generieren?
Sie haben recht, Wohnen bedeutet mehr, als nur ein bezahlbares Dach über dem Kopf zu haben. Es geht auch um Zugehörigkeit, um Identifikation und um das Gefühl, in eine Nachbarschaft eingebunden zu sein. Darum legen wir grossen Wert auf die räumliche Qualität unserer Projekte. Raumkonzepte, die Begegnungen ermöglichen, tragen zur Integration bei – ebenso wie eine Bewirtschaftung, die den Kontakt zwischen den Bewohnern aktiv oder passiv fördert.
Am Ende investieren wir nicht in Stein, sondern in unsere Bewohner und ihren Lebensraum. Wie schon angedeutet, wollen wir ein Umfeld erzeugen, in dem Gesellschaft entstehen kann. Wir zwingen dies jedoch nicht auf, da es sich nicht um ein Konzept, sondern gelebte Beziehungen handelt, die sich über die Zeit verändern müssen.
Die öffentliche Hand und die Politik sind ja sehr präsent in diesen Diskussionen. Wie sehen Sie die Rolle der öffentlichen Hand?
Wir sind überzeugt, dass die öffentliche Hand eine aktive, vermittelnde und werterzeugende Rolle einnehmen sollte – nicht nur als Regulierungsbehörde, sondern als Partnerin auf gleicher Augenhöhe.
Die Bundesverfassung garantiert das Recht auf preiswerten Wohnraum. Dieses Ziel lässt sich jedoch nur gemeinsam erreichen – im Dialog mit Investoren, Bauherrschaften und weiteren Akteuren und ohne ideologische Vorurteile.
Dabei darf nicht vergessen werden, dass der Wert eines Grundstücks in erster Linie durch öffentlich-rechtliche Vorgaben entsteht, etwa durch die erlaubte Nutzung oder die bauliche Ausnützung. Nicht der Markt bestimmt diesen Basiswert. Ebenso entscheidend ist, wie rasch und verlässlich Planungs- und Bewilligungsverfahren ablaufen. Daraus ergibt sich eine zentrale Verantwortung für die öffentliche Hand – sowohl wirtschaftlich als auch gesellschaftlich.
Erfüllt die öffentliche Hand ihre Aufgabe aus Ihrer Sicht gut?
Statt bestehende Immobilienwerte zu begrenzen, um Wohnraum künstlich zu verbilligen, sollte die öffentliche Hand ihre Rolle als Mitgestalterin und Wertschöpferin aktiv wahrnehmen – und durch verlässliche, zukunftsorientierte Rahmenbedingungen dafür sorgen, dass preiswerter und lebenswerter Wohnraum in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft entstehen kann.
Und wie kooperieren Sie mit der öffentlichen Hand?
Die Utilita wurde so aufgestellt, dass sie als Partnerin der öffentlichen Hand und als wirtschaftliches Anlagegefäss im Dienst der Gesellschaft diese Verantwortung für ihre Bewohner und Versicherten der Pensionskassen übernehmen will.