Auch Wohnen ist ein Menschenrecht

Der UNO-Menschenrechtsrat hat die saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt in einer Resolution 2021 erstmals als Menschenrecht deklariert. Nun hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geurteilt, dass die Schweiz dieses Recht verletze.

Wie der Tages-Anzeiger am 2. Mai 2024 berichtete, hätte die Schweiz die Ziele des Pariser Abkommens ohne entsprechende Klimakompensationen im Ausland nicht erreicht. Das Stimmvolk hat sich 2021 denn auch mit 51.6% gegen das revidierte CO2-Gesetz ausgesprochen. Dieser Entscheid wurde mit der Annahme des Klimaschutzgesetzes sowie dem eben vors Volk gebrachten Stromgesetz wieder teilweise kompensiert. Im Weiteren hat das Parlament mit der Neuauflage des CO2-Gesetzes wohl eine mehrheitsfähige Alternative geschaffen.

Nicht nur hätte die Schweiz ohne Kompensationen die Klimaziele verfehlt, die Schweiz belegt gar den 13. Rang der 20 grössten Klimasündern weltweit. Hier eingerechnet sind die inländischen Emissionen sowie jene, welche durch die Herstellung der importierten Produkte im Ausland entstehen. Letztere machen dabei zwei Drittel der gesamten CO2-Emissionen aus. Diese haben wir mitzuverantworten, denn sie sind ein Mass für unser Konsumverhalten. Die Industrie stellt nämlich jene Menge an Gütern her, welche nachgefragt wird, und die Kehrichtverbrennungsanlagen verbrennen jene Produkte und Abfälle, welche wir wegwerfen. Gleiches gilt für die Mobilität: Den Verkehr verursachen wir direkt, oder indirekt über den Transport von Gütern. Das zunehmende Verkehrsaufkommen emittiert CO2- und Lärmemissionen und treibt die Bodenversiegelung weiter an.

Alles in allem haben Bundesrat und Parlament jedoch in den letzten Jahrzehnten für gesetzliche Rahmenbedingungen gesorgt, welche uns saubere Luft, saubere Gewässer, mehrheitlich sauberes Trinkwasser und gesunde Böden – abgestützt auf die 2021 abgelehnten Trinkwasser- und Pestizidinitiativen, den Erhalt der Wälder sowie ein funktionierendes Abfallmanagement gewähren. Zudem ist auch die Kreislaufwirtschaft im Begriff, gesetzlich verankert zu werden. Und über die Biodiversitätsinitiative stimmen wir im Herbst dieses Jahres ab. Ob der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg mit seinem Urteil richtig liegt, sei dahingestellt – über den Angeklagten müsste jedoch diskutiert werden.

Wie steht es um das Recht auf Wohnen?

Wohnen ist unbestritten ein Grund- und damit Menschenrecht. Auch wenn dies so (noch) nicht explizit in unserer Verfassung verankert wurde, so wird es dennoch im UN-Sozialpakt festgehalten. Die Wohnungsnot droht nun, dieses Recht zu beschneiden. Eine allfällige Teil-Lösung, namentlich der Verzicht auf Wohnfläche respektive eine bessere Allokation der Wohnfläche, ist nicht ohne Weiteres zu bewerkstelligen. So zieht kaum jemand aus eigenen Stücken von einer Wohnung mit oft tiefer Bestandsmiete in eine Wohnung mit tendenziell höherer Marktmiete um. Eine entsprechende Anpassung des Mietrechts ist allerdings keine Option, würde sie doch zu sozialen Verwerfungen führen. Dennoch reagiert die Politik durchaus mit entsprechenden Regulierungen, um dem Problem Abhilfe zu schaffen. Dies beispielsweise mit der Forderung nach einem Mindestanteil an bezahlbarem Wohnraum bei Neu- und Ersatzneubauten oder mit Einschränkungen bei «Airbnb-Wohnungen» (davon gibt es in der Schweiz gemäss Aussagen des Anbieters nämlich rund 40‘000 – und diese gehören in aller Regel Privateigentümern).

Wenn es um die Schaffung von mehr Wohnraum geht, dann sind es in der Regel wiederum Einzelpersonen, welche diese Bemühungen mit Einsprachen torpedieren. Einsprachen häufen sich denn auch bei jeglicher Art von (Wohn-)Bauprojekten – selbst bei den dringend notwendigen flächenschonenden Verdichtungen im Bestand. Die Politik versucht nun Gegensteuer zu geben, und zwar mittels eines Postulats von Ständerätin Andrea Gmür-Schönenberger, welches verlangt, das Raumplanungsgesetz dahingehend anzupassen, dass jene Einsprachen in Rechnung gestellt werden, die im abschliessenden Rechtstreit unterliegen. Denn oft dienen diese lediglich der gezielten Projektverzögerung.

Sollte es tatsächlich dazu kommen, dass die Schweiz am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angeklagt wird, das Menschenrecht Wohnen zu verletzen, so stünden wir erneut vor der Frage, wer der eigentlich Schuldige ist.

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