Wohnungsknappheit und soziale Isolation sind Herausforderungen unserer Gesellschaft. Wo Probleme sind, entstehen Lösungen. Cluster-Wohnen ist eine Option.
Einpersonenhaushalte sind seit den 1990er-Jahren die häufigste Wohnform der Schweiz. Tendenz steigend. Das Angebot an Kleinstwohnungen (1-2 Zimmer) oszilliert aber um 20 bis maximal 30% des gesamten Wohnbestands in der Schweiz (Quelle: Bundesamt für Statistik BFS).
Effiziente Wohnraumallokation
Dies zwingt die Bevölkerung zu Wohnflächenverschleiss, d.h. zur Miete von zu grossen Wohnungen. Damit eine bessere Allokation unseres Wohnraumes realisiert werden kann, braucht es daher primär ein viel grösseres Angebot an Kleinstwohnungen. Da nun bei Cluster-Wohnungen die privaten Wohneinheiten klein sind und Gemeinschaftsflächen wie Wohn-, Koch- und Essbereiche geteilt werden (neben möglichen anderen, flexibel nutzbaren Zimmern, wie Gästezimmer oder sogenannten Joker-Räumen), erhöht dies die Nutzungsdichte erheblich und verringert folglich die Miete. Dies bestätigt Michael Loss, Kommunikationsverantwortlicher der Wohnbaugenossenschaft «mehr als wohnen», welche mit dem Hunziker Areal in Zürich und dem Hobelwerk Areal in Winterthur Erfahrungen mit Cluster-Wohnungen gemacht hat. Gemäss Loss beträgt die durchschnittliche Nutzungsdichte bei Cluster-Wohnungen rund 29m2 – inklusive des Anteils an den oben genannten gemeinschaftlich genutzten Flächen. 29m2 oder 70m2 zu mieten, ist preislich ein offensichtlicher Unterschied. Unter Berücksichtigung der jeweiligen Mindestbelegungsvorschriften liegen die Mieten von Cluster-Wohnungen pro Wohneinheit bei CHF 900.- +/- 25% als Grössenordnung, denn die effektiven Preise können je nach Qualitätsstandard und Grösse differieren. Damit sind sie konkurrenzfähig mit alten Bestandsmieten von 3-4-Zimmerwohnungen in Zürich.
Nun ist dieses gemeinschaftliche Wohnen nicht jedermanns Sache. Die Klientel setze sich aus Personen eher mittleren Alters zusammen, mit teils jüngeren und älteren Menschen, so Michael Loss. Was Cluster-Wohnende besonders schätzen, sei der jederzeit mögliche Rückzug in mehr Privatsphäre, womit kein Zwang zur permanenten Gemeinschaft bestehe. Studien zeigen, dass sich viele Menschen aller Bevölkerungsschichten einsam fühlen. Die Möglichkeit zu ungezwungenem Zusammensein kann daher ein willkommenes Angebot für einen breiten Teil unserer Gesellschaft sein. Cluster-Wohnen ist damit auch Ort der sozialen Durchmischung.
Cluster-Wohnungen bieten zudem auch Raum für betreutes Wohnen, d.h. Wohngruppen für Menschen mit Beeinträchtigung. Loss legt dar, dass solche Wohnformen (z. B. mit Stiftungen) seit 2015 bereits im Hunziker Areal funktionieren, wie auch im seit 2023 vollbezogenen Hobelwerk Areal. In beiden Arealen sind aktuell 4-6 Cluster an gemeinnützige stiftungsbasierte Organisationen vermietet.
Kein neuer Ansatz
Effektiv sind Cluster-Wohnungen kein neues Konzept. So wurde gemäss Studie «Mikro-Wohnen / Cluster-Wohnen» des ETH Wohnforum – ETH CASE die erste Cluster-Wohnung in einem Neubau durch die 1995 gegründete Wohngenossenschaft «Kraftwerk 1», in der Siedlung Hardturm in Zürich-West realisiert (Stücheli, Bünzli Courvoisier Architekten, 2001).
Wohnbaugenossenschaften gehören stets zu den wesentlichen Anbietern dieses Wohnungstyps. Nebst «mehr als wohnen» zählen u.a. auch die Wohnbaugenossenschaft «Kalkbreite» dazu. Bei der Vermietung von Cluster-Wohnungen setzt «mehr als wohnen» auf die Vereinsstruktur: Mieterinnen und Mieter bilden einen Verein, der die Verantwortung für die Organisation der gemeinsamen Flächen übernimmt, was Flexibilität und Selbstbestimmung fördert. Die Cluster umfassen damit zwar zwischen 9,5 und 13,5 Zimmer und häufig auch so viele Menschen; die Vermietung läuft aber über nur einen Mietvertrag, mit eben diesem Verein. Auf die Frage, ob das Angebot in Zukunft ausgebaut werde, meint Michael Loss: «Wir haben 2023 gemeinsam mit der Allgemeinen Baugenossenschaft Zürich (ABZ) und der Wohnbaugenossenschaft Grubenacker (WBGG) die Ausschreibung zur Bebauung des Teilgebiets C an der Thurgauerstrasse in Zürich-Nord gewonnen. Unter dem Namen nordnordost (NNO) arbeiten «mehr als wohnen» und WBGG dort mit dem benachbarten Teilgebiet D (Wogeno und Stiftung für Familienwohnen) zusammen. Aktuell befinden wir uns im Wettbewerbsverfahren und sind schon sehr gespannt auf die Eingaben, die auch alternative Wohnformen wie Cluster-Wohnungen umfassen können.»